Microsoft klagt bei EU gegen Motorola und Google
Redmond/Brüssel (dpa) - Der Patentkrieg in der Technik-Branche wird jetzt vor allem in Europa ausgetragen. Microsoft klagt bei der EU-Kommission gegen den Handy-Hersteller Motorola und den Suchmaschinen-Riesen Google mit dem Vorwurf des Patentmissbrauchs.
Motorola nutze Patente für die Anzeige von Web-Videos und drahtlose Kommunikation, um den Verkauf von Windows-PCs, der Spielekonsole Xbox und anderer Geräte zu stoppen, erklärte Microsoft in einem Blogeintrag am Mittwoch. Auch Apple trug seinen Patentstreit mit Motorola bereits vor die EU-Kommission.
Die Motorola-Forderungen für eine Patentlizenz bei dem Videostandard H.264 seien unangemessen hoch, argumentierte Microsoft. So solle der Hersteller eines 1000 Dollar teuren Notebooks an Motorola 22,50 Dollar für eine Lizenz auf 50 Patente abdrücken. Für die restlichen 2300 Patente, die den H.264-Standard ausmachen, würden aber nur zwei US-Cent fällig.
Die Wettbewerbsbeschwerde bei der EU-Kommission richtet sich auch gegen den Internet-Konzern Google, der Motorola gerade übernimmt. Google scheine nicht gewillt, den Motorola-Kurs zu ändern, erklärte Microsoft. „Google: Bitte bringe nicht das Web-Video um“, lautete die Überschrift des Blog-Eintrags von Dave Heiner, Justitiar von Microsoft.
Motorola erklärte, die Beschwerde liege dem Unternehmen noch nicht vor. „Wir sind aber entschlossen, unser geistiges Eigentum mit Nachdruck zu verteidigen.“ Auf die Vorwürfe ging der Mobiltelefon-Hersteller nicht im Detail ein. Google-Sprecher Kay Oberbeck sagte, die Beschwerde sei typisch für die Art und Weise, wie Microsoft den regulatorischen Prozess verwende, um Wettbewerber anzugreifen. „Dies ist besonders ironisch, wenn man sich die Erfolgsgeschichte (von Microsoft) in diesem Bereich und die Zusammenarbeit mit Patenttrollen vor Augen führt.“
Bei der Auseinandersetzung geht es um Patente, ohne die technische Standards wie H.264 nicht umgesetzt werden können. Damit der Inhaber eines Standard-Patents die Konkurrenten nicht benachteiligen kann, gelten bereits besondere Regeln. Die Lizenzen müssen zu sogenannten FRAND-Konditionen gewährt werden: Fair, Reasonable and Non-Discriminatory. Also: Der vom Patenthalter geforderte Preis für die Nutzung muss fair, angemessen und nicht diskriminierend sein. Über die Auslegung dieser Begriffe gibt es aber immer wieder Streit.
Motorola fordert von Apple und Microsoft 2,25 Prozent vom Gerätepreis eines iPhones bzw. eines Windows-PCs. Das finden die beiden Firmen zu viel. Motorola hat als Mobilfunk-Pionier eine Schatztruhe aus rund 17 000 Patenten und 6800 Patentanträgen. Das ist auch der Grund, warum Google trotz des geringen Motorola-Anteils im Handy-Markt 12,5 Milliarden Dollar für Motorola Mobility zahlen will: Das Ziel ist, das Patentarsenal hinter dem mobilen Betriebssystem Android zu stärken. Es führt klar im Smartphone-Markt, steht aber im Visier vieler Patentklagen von Apple und Microsoft.
Die Wettbewerbshüter in Brüssel und Washington haben die Motorola-Übernahme durch Google zwar kürzlich durchgewunken, die Unternehmen aber zugleich gewarnt, dass sie den Einsatz von Standard-Patenten sehr genau verfolgen werden. Die EU-Kommission leitete bereits eine Untersuchung gegen Samsung ein, weil der koreanische Konzern in seinem Rechtsstreit mit Apple auch Patente einsetzt, die zum Kernstock von Standards gehören.
Google versicherte zuletzt ausdrücklich, dass der Konzern den Zugang zu Motorola-Patenten nach Vollzug der Übernahme nicht einschränken werde. Den von Apple vorgeschlagenen Verzicht auf Verkaufsverbote auf Grundlage von Standard-Patenten unterstützte Google im Gegensatz zu Microsoft oder dem Netzwerk-Ausrüster Cisco aber nicht.
Apple bekam bereits Probleme wegen eines Motorola-Patents für den Funkstandard GRPS. Nach einem Urteil des Landgerichts Mannheim ließ Motorola den Online-Verkauf einiger iPhone- und iPad-Modelle in Deutschland stoppen. Im November schlug Apple klarere Regeln zur Auslegung des FRAND-Prinzips vor. So solle die Höhe der Lizenzforderung an dem Anteil eines Unternehmens am gesamten Patentpool bemessen werden. Auch solle dafür nicht der Preis eines konkreten Geräts herangezogen werden, sondern ein Branchendurchschnitt.