Gehirnjogging: Sie allein haben es in der Hand
Ob im Zug oder während der Mittagspause: Denkspiele sind der Deutschen liebster Zeitvertreib – und tragbare Konsolen damit längst nicht mehr nur nutzloser Tinnef.
Je älter wir werden, desto kleiner wird unser Gehirn. Das kann einem Angst einjagen, und vielleicht ist diese Angst auch der Grund dafür, weshalb Nintendo mit seinem Denkspiel "Dr. Kawashimas Gehirn-Jogging" und dem Nachfolger "Mehr Gehirn-Jogging" so erfolgreich ist. Gut eine Million Exemplare sollen bereits über die Ladentische gegangen sein. Das Verwunderliche daran ist, dass die Spielinhalte nicht wirklich neu sind.
Ganz im Gegenteil: Software-Produkte, die die Konzentration und Leistungsfähigkeit von Jung und Alt trainieren, gibt es schon seit den 70er-Jahren. Bereits Ende 1976 stellte Atari ein Reaktionsspiel namens "Touch Me" auf einer Messe vor. Hierbei musste man sich eine vorgegebene Farbsequenz merken und diese nachspielen. Das Element hat bis heute überlebt, gibt es doch eigentlich kaum ein Denkspiel, das dieses simple Prinzip nicht in irgendeiner Form aufgreift.
Selbst bei Nintendos "Augen-Training" ist das der Fall. Und sogar die weiteren Wahrnehmungsübungen weisen bekannte Muster auf. Es ist nicht weiter erstaunlich, dass sich diese einfachen Muster alle wiederholen. Denn hat sich erst einmal ein neuer Trend etabliert, wird dem Kunden immer weniger Neues geboten.
Schuld daran sind die Trittbrettfahrer, die es Nintendo nachmachen wollen. Der Großteil an Titeln anderer Anbieter gleicht den Erfolgsprodukten der Japaner. Der in Deutschland entwickelte Logiktrainer "Think" ist beispielsweise ein Mix aus dem Besten, was "Gehirn-Jogging" und "Big Brain Academy" zu bieten haben. Ein Kauf lohnt sich also nur, wenn man einen der beiden Titel noch nicht kennt.
Für frischen Wind sorgt wenigstens Ubisoft mit "Mein Wortschatz-Coach". Der in Zusammenarbeit mit der Wahrig-Redaktion entwickelte Titel, der für Mitte des Jahres angekündigt ist, bietet einfallsreiche Minispiele um Sprache und ihren Gebrauch im Alltag. Dennoch fällt auch hierbei auf, dass die Macher bei Klassikern abgeschaut haben. Eine Übung namens Mauerbrecher ist allzu offensichtlich an "Tetris" angelehnt. Vielleicht ist es aber auch deswegen diejenige, die am längsten fesselt. Diesen Eindruck vermittelt zumindest schon die Vorabversion.
Neu ist in allen Fällen, dass Nintendos Konsole, der DS, ein intuitives Spielgefühl bietet. Der ganz besondere Reiz geht indes von der Kurzweiligkeit aller Spiele aus. Man kann die Übungen zwischendurch, etwa im Zug, in der Mittagspause, vor dem Schlafengehen oder während der TV-Werbung machen. Dazu muss man nicht extra den PC anschmeißen, geschweige denn das Programm erst installieren. Außerdem passt der DS in jede Jackentasche.
Zugleich hat Nintendo allerdings erreicht, dass der PC-Markt langsam bröckelt - sicherlich ungewollt. Fakt aber ist, dass es immer weniger klassische Edutainment-Software (Programme, die auf spielerische Weise einen Lerneffekt erzielen) auf klassischen CD-Rom-Datenträgern gibt.
Damit nun auch renommierte Verlage ihre Inhalte auf den DS oder andere Plattformen wie Sonys PSP bringen können, bedarf es Partnern aus der Unterhaltungsbranche. So hat sich PONS vergangenes Jahr mit BrainGame zusammengetan und den "Englisch Buddy" herausgebracht. Denn durch die praktische Handhabung von Nintendos Gerät lassen sich Lerninhalte in adäquate Form bringen. Bei "Englisch Buddy" können Wörter mit dem Taststift auf den Touchscreen geschrieben werden, was dem Anwender mehr Spaß bereitet, als die Wörter per Tastatur einzugeben. Bei Lückentexten werden einzelne Buchstaben einfach auf die entsprechenden Felder gezogen. Den nächsten Schritt macht Langenscheidt. Ende März bringt der Sprachriese ein Englisch-Wörterbuch mit Sprachausgabe heraus.
Die Tatsache, dass der DS in der Öffentlichkeit angesehener ist als früher der Game Boy, hat zu einem Umdenken geführt. Schicke Geräte für unterwegs, zumal leicht bedienbar, sind en vogue, besonders bei Geschäftsleuten.
Erfolg 50 Millionen Exemplare sind bis Mitte des vergangenen Jahres weltweit über den Ladentisch gegangen. 15 Millionen davon alleine in Europa.
Name Zwei Bedeutungen werden der Abkürzung DS zugeschrieben: 1. "Double Screen" (Doppelbildschirm) und 2. "Developers’ System" (Entwickler-System).