Monster-Jagd „Pokémon Go“ will nach Welterfolg die Spieler halten

Berlin (dpa) - Es war das Jahr von „Pokémon Go“. Die App mit ihrem einfachen Spielprinzip - kleine virtuelle Monster in realen Umgebungen auf dem Smartphone fangen - eroberte die Welt im Sturm.

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Nach dem Start Anfang Juli wurde das Game binnen zwei Monaten rund 500 Millionen Mal heruntergeladen. Es dürfte damit das erfolgreichste Smartphone-Spiel sein. Die Server gingen in den ersten Wochen immer wieder in die Knie, obwohl die Entwicklerfirma Niantic Rechenleistung nachlegte - doch der Ansturm war 50 Mal stärker als die erwartete Auslastung.

Die Menschen tummelten sich im New Yorker Central Park, in den Einkaufsvierteln Tokios, blockierten eine Brücke in Düsseldorf, liefen Dutzende Kilometer mehr als sonst, um neue Pokémon zu erwischen. Das war im Sommer, inzwischen ist der Hype merklich abgekühlt. In einem Auftritt vor dem US-Kongress gab Niantic-Chef John Hanke den neuen Pegel der Downloads mit 600 Millionen an - in den vergangenen Monaten kamen also deutlich weniger neue Nutzer hinzu als am Anfang. Zahlen zu aktiven Spielern nennt die Firma nicht. In der Rangliste der umsatzstärksten Apps hält sich „Pokémon Go“ aber auf den vorderen Plätzen - das heißt, genug Spieler sind so engagiert, dass sie auch Geld für zusätzlichen Trophäen-Platz oder Inventar ausgeben.

Das liegt auch daran, dass Niantic allmählich alle Register zieht, um die Nutzer zum regelmäßigen Spielen zu animieren. Es gibt tägliche Bonus-Punkte, zu Halloween und Thanksgiving ließen die Macher von „Pokémon Go“ zudem einwöchige Aktionen steigen, bei denen es zum Beispiel mehr Monster zu fangen gab. Jüngst kam ein neues Pokémon dazu, das sich in Gestalt mehrerer anderer tarnt und sich erst nach dem Fangen zu erkennen gibt - damit muss ein Spieler beherzt zuschlagen, um es auf jeden Fall zu erwischen. Und gemunkelt wird über 100 neue Pokémon, die demnächst dazukommen könnten.

„Wir müssen uns nicht mehr um jeden Dollar, den wir ausgeben, Gedanken machen“, sagt Niantic-Chef John Hanke bescheiden über die finanzielle Lage des aus Google ausgekoppelten Start-ups nach dem „Pokémon“-Erfolg. Nach Einschätzung von Marktexperten dürfte es auch nach dem Abflauen des Hypes immer noch um Millionen-Einnahmen pro Tag gehen. Hanke selbst sagt, im September sei die Nutzung abgefallen und habe sich im Oktober auf einer „gesunden Zahl“ täglicher Spieler stabilisiert. Der „Social-Media-Irrsinn“ der Anfangswochen sei nicht durchzuhalten gewesen und auch jetzt sei das Spiel möglicherweise immer noch das mit der höchsten Zahl täglicher Nutzer.

Smartphone-Spiele sind oft ein kurzlebiges Geschäft: Macher von Hits wie „Candy Crush“ oder „Angry Birds“ mussten schon feststellen, dass Nutzer irgendwann das Interesse verlieren und zum nächsten neuen Spiel weiterziehen.

Die Theorie, dass die Aktivität der Pokémon-Jäger nun auch mit Einbruch der kalten Jahreszeit sinkt, will Hanke nur bedingt gelten lassen: „Irgendwo ist immer Sommer.“ Beim seinem ersten Spiel „Ingress“, bei dem Spieler um virtuelle Portale kämpfen, spüre Niantic auch wenig saisonalen Einfluss.

Zugleich sorgte „Pokémon Go“ für einige Kontroversen. Städte beklagten sich über Verkehrsbehinderungen, wie schon Portale beim „Ingress“-Game, auf dessen Daten sich Niantic auch diesmal stützte, gab es Kritik an Spielpunkten neben Gedenkstätten. Von deutschen Verbraucherschützern gab es eine Abmahnung wegen der Nutzungs- und Datenschutzbestimmungen ab - Niantic lenkte ein. Um das Spielen am Steuer zu verhindern, kann die App ab einer bestimmten Geschwindigkeit inzwischen nicht mehr genutzt werden. Das treffe auch ihn selbst als Nutzer öffentlicher Verkehrsmittel in San Francisco, sagt der Niantic-Chef. „Ich wünschte, wir könnten es nur auf die Leute einschränken, die gerade am Lenkrad sitzen.“

Insgesamt sieht Hanke aber noch zuwenig Verständnis für Spiele wie „Pokémon Go“ in der Politik, auch im Heimatland USA. Die Politiker sähen lauter Leute, die auf ihre Handys blicken und sind besorgt. „Wir denken, es ist wichtig, ihnen zu zeigen, wie solche Spiele helfen können, Städte zu beleben, Menschen auf öffentliche Plätze herauszubringen oder zu mehr Bewegung zu animieren.“ Solche positiven Effekte sollten bedacht werden, „bevor man übermäßig darüber besorgt ist, dass im Park mehr Müll weggeräumt werden muss, weil dort mehr Leute waren.“