X-Plane 10 im Test: Mehr Realismus gibt es nur mit Pilotenschein
Nicht jeder kann Pilot werden. Doch wer trotzdem fliegen möchte, für den verspricht Aerosofts X-Plane 10 ein völlig neuartiges Erlebnis. Die im Februar erscheinende Simulation will ihre Vorherrschaft ausbauen und neue Standards in Sachen Realismus setzen. Eine ganze Welt kann erkundet werden. Wir haben im Cockpit Platz genommen und getestet, ob X-Plane hält, was es verspricht.
Düsseldorf. In der 747 am Steuerhebel sitzen? Das Space Shuttle aus dem Orbit auf die Erde bringen? Einen Flug mit der Cesna durch die endlosen Weiten Kanadas? X-Plane 10 bietet all das — und noch viel mehr. Der zehnte Teil von Austin Meyers realistischem Flugsimulator ist ein echtes Schwergewicht. Auf acht DVDs kommt die Simulation daher und will neue Standards setzen in Sachen Landschaftsdarstellung, Flugmodell und Atmosphäre. „Dieser Flugsimulator ist so realistisch wie kein anderer zuvor!“, lautet das weiß auf blau gedruckte Versprechen auf der Verpackung. Aber hält das Programm, was es verspricht?
Die Installation: X-Plane 10 auf den Rechner zu bringen ist eine wahre Geduldsprobe. Denn je nachdem, ob man nur Deutschland, Europa oder gleich die ganze Welt installiert, kann das Programm bis zu 80(!) Gigabyte Festplattenspeicher beanspruchen. Das kann dann schon mal dauern. Dazu kommen ständige DVD-Wechsel während der Installation.
Der erste Eindruck: X-Plane fackelt nicht lange. Nach einem Ladebildschirm startet das Spiel direkt im Cockpit auf der Landebahn. Hauptmenü? Einstellungsmöglichkeiten? Fehlanzeige. Wie man seinen Vogel in die Luft bekommt, muss mehr oder weniger ausprobiert werden — es gibt kein brauchbares Tutorial, das gedruckte Schnellstartheftchen hilft nicht weiter. Zwar erhält man einige Hinweise eingeblendet, das Cockpit der Passagiermaschine ist aber überfrachtet mit Knöpfen, die man tatsächlich fast alle bedienen kann.
Eine echte Herausforderungen für jeden, der nicht simulationserfahren ist oder die Flugschule besucht hat. Ruder, Klappen, Trimmung — alles kann eingestellt werden und muss es auch. Denn sonst stürzt die Maschine schneller ab, als man sich überhaupt auf den Weg zu fernen Ufern machen kann. Dazwischen gibt die Flugüberwachung regelmäßig Anweisungen — spätestens hier ist der Einsteiger völlig überfordert.
Der zweite Eindruck: Nicht umsonst ist X-Plane von der amerikanischen Luftfahrtbehörde zur Pilotenausbildung zugelassen. Denn wenn man sich eine Weile mit dem Programm befasst, sich mühsam mit der Funktion aller Knöpfe vertraut macht und die Sprache der Flugsicherung halbwegs versteht — erst dann erschließt sich dem Nutzer, was er sich da auf dem Rechner installiert hat. X-Plane liefert tatsächlich, was es verspricht. Der Flugsimulator bietet eine hochrealistische Welt mit akkurat nachgebildeten Flugzeugen, Flughäfen und einer in Bodennähe bis ins atemberaubende Detail gehenden Grafik. Bodenobjekte wie Häuser, Bäume, Strommasten oder Straßen sind, entsprechende Rechnerkapazitäten vorausgesetzt, komplett in 3D dargestellt. Das Programm nutzt dabei Daten von OpenStreetMap, einer freien Datenbank für Geodaten. Der Verkehr auf der Autobahn fließt, in der Nacht auch stimmungsvoll beleuchtet.
Wer lieber mit kleinen Propellermaschinen durch die weiten Kanadas fliegt, der wird nicht enttäuscht — es locken endlose Wälder, Berge und wunderbar reflektierende Seen, hoch im Norden flimmern sogar Nordlichter am Himmel. Spaß machen auch die teilweise bis ins Detail nachgebauten Flughäfen. Wer schon immer am Flughafen Paderborn bis ans Terminal rollen wollte — kein Problem.
Auch im Inneren der Flugzeuge macht die Detailverliebtheit nicht Halt. Beinahe jeder Knopf, jedes Instrument und jeder Hebel lässt sich bedienen. Das geht so weit, dass sogar das Anschnallzeichen in der Passagierkabine der Boeing 777 an- und ausgeschaltet werden kann — die virtuellen Passagiere wird es freuen. Auch die 30 bereits mitgelieferten Flugzeuge, von der einmotorigen Cesna über die Boeing 747 bis hin zum inzwischen ausgemusterten Space Shuttle liefern dem Piloten am Joystick eine Vielzahl an Herausforderungen, zahlreiche weitere Modelle können als Add-on installiert werden. Dazu gibt es eine aktive Fan-Szene im Internet, die ständig neue Flugzeuge für X-Plane gestaltet.
Überzeugend ist auch das Flugverhalten und die simulierten Umweltbedingungen, laut Aerosoft das Ergebnis von 15-jähriger Entwicklungserfahrung und enger Zusammenarbeit mit Flugschulen. Die Flugeigenschaften werden dabei nach Herstellerangaben in Echtzeit am 3D-Modell des Flugzeuges berechnet. In der Praxis macht sich das vor allem dann bemerkbar, wenn man bei schlechtem Wetter fliegt und plötzlich Seitenwinde oder Turbulenzen ausgleichen muss. Gerade im Landeanflug ein haariges Manöver, das nicht selten abseits der Landebahn endet. (Anmerkung der Redaktion: Der Verfasser dieses Testberichts ist kein Pilot.)
Das ist nicht gelungen: Bei aller Detailverliebtheit scheint den Machern die Benutzerfreundlichkeit völlig aus den Augen geraten zu sein. Einsteigerfreundlich kann man X Plane 10 nämlich nicht nennen. Weder gibt es ein Hauptmenü mit zentralen Einstellungsmöglichkeiten, noch verfügt das Spiel über ein brauchbares Tutorial. X Planes startet im Cockpit eines Jumbo-Jets auf einer namenlosen Piste, die Menüs sind kompliziert, wenig intuitiv und erinnern an Windows 3.11 — eine gute Benutzerführung sieht anders aus. Auch die Steuerung der Flugzeuge gerät mitunter zur Tortur — bis wirklicher Spielspaß aufkommt, vergeht einige Zeit. Dazu trägt auch bei, dass es keine motivierenden Missionen für Einsteiger gibt.
Fazit: Hier ist der Profi gefragt. Und der ist es wohl auch, für den X-Plane 10 gedacht ist. Denn wer nicht simulationserfahren ist oder über tatsächliche Flugkenntnisse verfügt, wird es schwer haben, sich im Cockpit zurecht zu finden und die vielen vorhandenen Vorzüge dieser Simulation voll auszukosten. Fans von Flugsimulatoren, Umsteiger vom Microsoft Flugsimulator oder Flight Unlimited und Besitzer älterer X-Plane-Versionen werden dafür voll auf ihre Kosten kommen.