Virtuelle Realität soll Mobilfunk-Branche neue Perspektiven eröffnen
Barcelona (dpa) - Eine faszinierende Unterwasserwelt. Majestätisch gleiten riesige Manta-Rochen durchs Meer. Und vom Deck eines rostigen Schiffswracks aus wird man ohne Schnorchel oder Atemgerät Zeuge, wie ein imposanter Wal zum Berühren nah vorbeigleitet.
Auf dem Mobile World Congress in Barcelona demonstriert der taiwanesische Hersteller HTC mit beeindruckenden Demos seiner Brille Vive, wie lebensecht virtuelle Realität aussehen kann.
Mit einer Rift-Brille des Konkurrenten Oculus können Messebesucher aber auch mal zwischendurch am Stand der „Innovation City“ einen atemberaubenden Skisprung wagen.
Auf der diesjährigen Mobilfunk-Messe sind virtuelle Welten, in die der Nutzer eintauchen kann, eines der ganz großen Themen. Um den Markt nach langer Entwicklungszeit anzufeuern, verschenkt Samsung seine Brille Gear VR sogar für kurze Zeit an Käufer der neuen Galaxy-S7-Smartphones. Den Messestand flankiert ein Erlebnispark, in dem Besucher eine Achterbahnfahrt über die Gear VR erleben. Auf einem großen Monitor kann man die Fahrt verfolgen - und zugleich die begeisterten Gesichter der virtuellen Abenteurer hinter ihren Brillen bestaunen.
Virtuelle Realität soll im harten Kampf um Marktanteile auch den neuen Smartphones mehr Glanz und Zusatznutzen verschaffen. Wie das gehen kann, daran arbeiten die Hersteller mit verschiedensten Konzepten. LG will etwa mit einer Brille punkten, die viel kleiner und leichter auf der Nase sitzt als die der Konkurrenz. Während die LG 360 VR mit dem Kabel an das Smartphone als Inhalte-Lieferant verbunden ist, steckt das Telefon bei Samsungs Gear VR in der Brille selbst.
Die Brille HTC Vive Pre dürfte eines der teuersten Modelle sein. Ab April wird sie für rund 799 Euro in den Handel kommen. Wie die Rift des inzwischen zu Facebook gehörenden Pioniers Oculus - der auch für die Gear VR mit Samsung zusammenarbeitet - ist sie auf ein Kabel und einen leistungsfähigen Computer angewiesen. Bis das Kabel überflüssig wird, dürfte es noch einige Zeit dauern. Selbst die geringste Verzögerung bei der Übermittlung der Daten (Latenz) könne beim Nutzer zu Übelkeit führen, sagt ein Sprecher.
Mit Hilfe von Lasertechnik ermittelt die Vive die räumliche Umgebung. Sie sei die einzige VR-Brille, mit der sich der Nutzer wirklich auch im Raum bewegen kann, betont Graham Breen von HTC. Optional lässt sich die reale Umgebung mit einem Klick auf einem der beiden Controller in Umrissen sichtbar machen.
Mit einer Auflösung von 2K pro Auge wirken die Demos durchaus imposant. So können sich Besucher der Messe unter Wasser begeben, in einer virtuellen Büroumgebung den Computer steuern oder sich auf einem Weltraumschiff gegen Angreifer zur Wehr setzen.
Für die Software arbeitet der HTC mit dem Spieleentwickler Valve zusammen. Über dessen Games-Plattform Steam sollen künftig auch Anwendungen per Streaming zur Verfügung stehen. Wie auch die anderen Hersteller geht HTC davon aus, dass die ersten Impulse für den neuen Markt aus der Computerspiel-Branche kommen werden. Aber auch im professionellen Einsatz, etwa in der Medizin oder im Einzelhandel sehen die Hersteller zahlreiche Anwendungs-Möglichkeiten.
Ein Szenario, wie sich virtuelle Realität auch für die Kommunikation nutzen lässt, zeigt der kanadische Technologie-Anbieter Summit Tech. Über die Oculus Rift können Nutzer bei einer Videokonferenz sich direkt nach Paris oder New York in das Konferenzzimmer des Gesprächspartners beamen und haben einen „realistischen“ Rundblick. Die Demo auf der Messe wartet nicht gerade mit beeindruckender Bildqualität auf, doch zeigt sie das Potenzial der Technologie.
In Sachen hochwertige Bildqualität und Übertragungskapazitäten befindet sich die VR-Technik noch durchaus in den Kinderschuhen. „Die VR-Erfahrung fühlt sich ein bisschen an wie die frühen Tage von Wifi“, sagt Forrester-Analystin Julie Ask. „Manchmal klappt es und manchmal halt nicht.“
Auch an Inhalten mangelt es noch. Hersteller wie Samsung setzen deshalb auf die Kreativität der Nutzer. In Barcelona kündigte der Konzern eine erste VR-Kamera für den Konsumentenmarkt an. Bei einem voraussichtlichen Preis von rund 400 Euro dürfte aber auch sie eine Weile brauchen, um den Trend zu befeuern.
Zudem wird der schnelle Mobilfunkstandard 5G noch einige Jahre auf sich warten lassen. Bessere Auflösung sei aber eine wichtige Voraussetzung für den Durchbruch von VR, schätzt Facebook-Gründer Mark Zuckerberg. „Wenn wir Livestreams in 4K auf jedem Auge anbieten können, dann wird das eine ziemlich große Sache.“ 4K, auch Ultra-HD genannt, hat die vierfache Auflösung eines HD-Fernsehers.