Beier verlässt Köln im Zorn
Die Chefin des Schauspielhauses wirft den Politikern vor, ihr einen roten Teppich für den Abgang ausgerollt zu haben.
Köln/Hamburg. Es ist ein Trauerspiel für Köln und eine perfekte Premiere für Hamburg: Die preisgekrönte Intendantin des Schauspielhauses, Karin Beier, kehrt der Domstadt den Rücken. Als erste Frau übernimmt sie die Leitung des Deutschen Schauspielhauses Hamburg.
Ihren Mitarbeitern schrieb die 45-Jährige: „Es fällt mir nicht leicht, das Kölner Haus mit seinen Top-Mitarbeitern, die sehr, sehr gute Arbeit leisten, zu verlassen.“ Das gelte auch für die „enthusiastischen“ Zuschauer. Aber: „Leicht fällt es mir, den Ränkespielen einiger Herren in der Kölner Politik und Verwaltung den Rücken zu kehren.“
Nach Angaben von Petra Franke, der Sprecherin des Kölner Schauspielhauses, ist dieser Brief durch eine Indiskretion bekannt geworden. Beier will sich nicht öffentlich äußern, „bevor der von einem parteiübergreifenden Beschluss getragene Vertrag unterschrieben ist“. Das wird nach den Wahlen in Hamburg geschehen.
Der Zeitpunkt des Wechsels ist noch unklar. Beiers Vertrag in Köln umfasst noch die Spielzeit 2013/2014; im Herbst 2013 beginnt aber auch ihr Vertrag in Hamburg. Sie erwägt nun „unter rein künstlerischen Aspekten“, die Spielzeit 2013/2014 in beiden Häusern parallel zu leiten.
Die gebürtige Kölnerin geht auch im Zorn. Mangelnde Wertschätzung und Kommunikation, ein manchmal „demütigendes“ und „unfaires“ Verhalten und zu wenig Unterstützung wirft sie der Politik vor. „Man hat uns nicht gut behandelt. In dem Jahr, in dem wir „Theater des Jahres“ geworden sind und wir die „Inszenierung des Jahres“ in unserem Haus hatten, wurden uns die Zuschüsse gekürzt.“ Die Politik habe ihr „großzügig den roten Teppich für einen Abgang ausgerollt“, schreibt sie nun.
Der Kölner Kulturdezernent Georg Quander widerspricht: „Dass die Stadt Köln ihre Arbeit nicht ausreichend wertschätzt, kann man so nicht sagen.“ Es habe stets einen „intensiven und vertrauensvollen“ Kontakt gegeben. Köln sei finanziell mit seinem Schauspiel allerdings nicht konkurrenzfähig zum Staatstheater in Hamburg als größter Sprechbühne Deutschlands, sagt der Kölner Oberbürgermeister Jürgen Roters (SPD).
Beier ist seit 2007 Leiterin des Kölner Schauspielhauses und hat das zuvor provinziell wirkende Haus zu einer der erfolgreichsten Bühnen Deutschlands gemacht.
Umso größer ist die Euphorie in der Hansestadt. „So wie sie das Kölner Schauspiel in kurzer Zeit ganz nach vorne gebracht hat, bin ich sicher, dass sie auch dem Schauspielhaus gut tun wird“, sagte Interims-Intendant Jack Kurfess. „Ich finde es toll, wenn am Schauspielhaus nach 110 Jahren Männerherrschaft endlich eine Frau das Sagen hat.“
Dabei war die aktuelle Spielzeit an dem renommierten Theater turbulent. Intendant Friedrich Schirmer warf aus Ärger über die Kürzungen das Handtuch, dann drohte der Senat mit weiteren radikalen Sparmaßnahmen. Schirmer lobte seine Nachfolgerin nun in höchsten Tönen. „Sie ist eine großartige Theaterfrau.“
Die Kölner mögen Beier, ihre Inszenierungen sind ausverkauft. Die Intendantin hatte sich auch an die Spitze einer Bürgerbewegung gegen den geplanten Abriss und Neubau des Schauspielhauses gesetzt — mit Erfolg.
Dafür wird sie nun nach kölscher Art gefeiert: Auf einem Wagen des Rosenmontagszugs ist sie wie die „Freiheit“ auf dem Gemälde von Eugène Delacroix als barbusige Kulturkämpferin dargestellt, die OB Roters niederstreckt.