Das Rätsel Rommel ist kaum zu lösen
Ulm (dpa) - Mitten im Artilleriefeuer und Bombenhagel trifft der „Führerbefehl“ ein: El Alamein muss gehalten werden. Was tun, fragt ein Untergebener General Erwin Rommel (Gunther Nickles). Der „Wüstenfuchs“ will Hitler eigentlich Folge leisten.
Aber aus militärischer Sicht macht es doch keinen Sinn - der Rückzug kann also auch nur im Sinn Hitlers sein. Es ist eine Schlüsselszene eines neuen Stücks über den scheinbar „sauberen Soldaten“. Doch was kann sie zeigen, außer der Zerrissenheit des Mannes, der so vielen als Vorbild diente?
Am Donnerstag ist „Rommel. Ein deutscher General“ im Theater Ulm uraufgeführt worden. Es kommt nicht so häufig vor, dass ein neues Werk eigens für die Bühne der Donaustadt geschrieben wird. Umso verdienstvoller ist der Versuch, Licht ins Dunkel der Rommel-Biografie bringen zu wollen. Im Pausenfoyer werden „Fakten“ zum verklärten General gezeigt, eine ganze Reihe an Begleitveranstaltungen flankieren die Premiere.
Doch was vermag das Stück zu erklären? Das Publikum sieht vor allem die letzten Monate und Stunden im Leben des von der NS-Propaganda zum „Wüstenfuchs“ verklärten Helden des Afrika-Feldzugs der Wehrmacht. In Rückblenden geht es an entscheidende Schauplätze seiner Militärkarriere wie die Schlacht von El Alamein. Dabei sind es immer wieder zwei Fragen, die sich Nickles als Rommel stellt: Hat „der Führer“ es so gewollt, handle ich richtig?
„Ich bin Soldat und ich verstehe nichts von Politik, nur eines weiß ich sicher: Der ehrenvolle Weg ist stets der rechte“ - in diese Formel rettet sich Rommel. Hält er somit auch das Stauffenberg-Attentat auf Hitler für gerechtfertigt? Er meint doch wie kein anderer zu wissen, wie schlecht es im vierten Kriegsjahr um die Front im Westen steht, wo er mittlerweile eingesetzt ist.
In allen Dialogen, die Michael Sommer und Stephan Suschke dem General, seiner Familie, den Freunden und Feinden in den Mund legen, scheint vor allem eines auf: Rommel war kein Widerständler, er verehrte Hitler - oder jedenfalls seinen Eid auf ihn. Gut gelungen sind daher die Szenen, die Rommel im Kreis seiner Familie, seiner Frau Lucie-Maria (stark: Christel Mayr) und seines Sohns Manfred (Max Rechtsteiner), zeigen.
Als sich der Besuch zweier Generäle aus Berlin ankündigt, hofft er darauf, wieder gerufen zu werden, wieder ins Kriegsgeschehen eingreifen zu können, nachdem er eine schwere Verwundung halbwegs überstanden hat. Doch er wird nicht mehr so geachtet, wie es die eingespielten Wochenschau-Elegien zeigen, die zum Ende des ersten Akts auf einer große Leinwand inmitten der Bühne (Momme Röhrbein) gezeigt werden. Er gilt nun als Verräter.
Die Generäle stellen ihn vor die Wahl: Er könne als Mitwisser des Attentats vom 20. Juli 1944 entweder „ehrenhaft“ den Freitod wählen - oder werde vor den Volksgerichtshof gestellt. Diese Schlacht mag er nicht mehr schlagen, so die Interpretation im Ulmer Theater. Also ebnet er sich den Weg zum Staatsbegräbnis. Das Stück bemüht sich vielleicht zu sehr, keine eindeutige These aufzustellen, den Weltkriegshelden zu verurteilen oder freizusprechen.
Doch ein bisschen kratzt es am problematischen Ehrenplatz, den der „Wüstenfuchs“ für nicht wenige vor allem in der frühen Geschichte der Bundesrepublik und der Bundeswehr einnimmt. Hier scheint durch, warum es auch so viele Diskussionen um die jüngsten Dreharbeiten eines Rommel-Films mit Ulrich Tukur in der Hauptrolle gab: Der saubere Soldat hatte keine weiße Weste.
Daher ist der Auftritt des Geists einer ermordeten Jüdin so wichtig. Ulla Willick, neben Nickles eine der stärksten Darstellerinnen, erinnert daran, dass Rommels Haus in Herrlingen bei Ulm einst ein jüdisches Altersheim war, bevor es dem General als Ruhesitz diente. Entlarvenden Details wie diesem steht dann der Epilog entgegen, in dem ein Bundeswehrgeneral noch 1964 Rommel rühmt: Wie viele andere Soldaten sei sein Glaube doch bloß „von jenem einen Mann, der sich der "Führer" nannte“, verraten worden.