„Faust“ und „Lohengrin“ - Toller Start für Hasko Weber
Weimar (dpa) - Die Erwartungen in Weimar waren groß: Ein neuer Intendant, der mit Goethes „Faust“ und Wagners „Lohengrin“ gleich zu Beginn zwei der wichtigsten Stücke in Schauspiel und Oper für die Klassikerstadt angepackt hat.
Ihre Interpretationen am Deutschen Nationaltheater werden nicht nur von den Weimarern mit Argusaugen auf Werktreue und zeitgenössische Aussage geprüft. Hasko Weber, so zeigt sich nach dem Premierenwochenende zum Spielzeitauftakt, wollte mit beiden Werken ein Signal setzen. Es ist ihm gelungen.
„Faust, Erster Teil“ in seiner Regie ist lebendig, ironisierend und sprudelt nur so von Einfällen. Weber zeigt einen verzweifelten Forscher, bei dem nicht das ewig Drängende, Vorwärtsschreitende, Erkenntnissuchende wie in Werkaufführungen vergangener Jahrzehnte dominiert. Er ist ein gescheiterter Mann, der im Pakt mit dem Teufel letztlich von seinem Trieb bestimmt wird. Johann Wolfgang Goethe hatte die kleine Thüringer Residenzstadt zusammen mit anderen Klassikern um 1800 zu einem Hort humanistischer Ideen gemacht. Mehr als 20 Jahre leitete er auch das Weimarer Hoftheater. Im Jahr 2014/15, so sagte Weber, könnte es auch „Faust II“ geben.
Wagners romantische Oper „Lohengrin“ war am Wochenende gleich zweimal zu erleben: Einmal als große interaktive Installation „Milchstrom, Fragebett, Gralsmaschinen - Ein Lohengrin-Gelände“ des österreichischen Installationskünstlers und Komponisten Georg Nussbaumer beim Kunstfest. Das andere Mal im Deutschen Nationaltheater in seiner Ursprungsfassung. Regisseur Tobias Kratzer stellte dem begeisterten Premierenpublikum seine Version vor, die spielerisch geschickt den mit Worten wie Held, edel, rein, Tugend, Deutschland und Ritter vollgespickten Text die Schärfe nahm. Mit Bravos und langem Beifall dankten die Zuschauer den Solisten, beiden Chören und der Staatskapelle Weimar unter Leitung von Stefan Solyom für ihre ausgezeichnete Ensembleleistung.
„Wir warten auf ein großes Wunder“: In großen Leuchtbuchstaben stand dieser Satz zu Beginn der „Lohengrin“-Premiere über der desillusionierten Menschenmenge, die seit langem bar jeder Hoffnung ist. Ein Knabe findet in einer Kiste Schwert und Buch mit der Geschichte von dem geheimnisvollen Schwanenritter. Erst zögerlich, dann immer begeisterter lassen sich Frauen und Männer auf die Rollen ein, schlüpfen in Kostüme. Mit kleinen Gesten und Brüchen wird immer wieder deutlich: Es ist und bleibt ein Spiel, bei dem es um solch wichtige Fragen wie „Wer ist ein Held?“, „Macht das Volk Helden?“ und um Treue und Verrat geht.
Im alten Schießhaus zerlegte Nussbaumer die Oper vom geheimnisvollen Schwanenritter auf ihre mythischen Wurzeln und zeitlosen Bezüge. Die scheidende Kunstfestchefin Nike Wagner hatte Nussbaumer gebeten, das beleibte Werk ihres Urgroßvaters unter die Lupe zu nehmen. Einige Dutzend Neugierige waren am Samstagnachmittag zur Premiere den schwebenden Klängen durch dunkle Keller, sanierungsbedürftige Räume und Gelände gefolgt - und standen teils amüsiert, teils nachdenklich, teils auch etwas ratlos vor den eigenwilligen Videos und interaktiven Installationen.
„Provokation ist immer so eine Sache“, hatte Nussbaumer vorab erklärt. „Aber ich hoffe doch, wenn einer nichts von Wagner und Geschichte weiß, dass es ihn irgendwie anspricht.“ Das Experiment, wurde unter anderem von der Kulturstiftung des Bundes und der Ernst von Siemens Musikstiftung gefördert.