Isabelle Huppert verleiht den Ruhrfestspielen Glanz
Recklinghausen (dpa) - Isabelle Huppert genießt Weltruhm. Bei den Ruhrfestspielen in Recklinghausen zeigte die 60-jährige französische Schauspielerin am Freitagabend die ganze Palette ihres Könnens.
Sie gibt die elegante Dame, nicht ohne Arroganz. Die lebenskluge Erfahrene, die jemanden auf die Probe stellt. Die Sehnsuchtsvolle, die einen Mann sucht, der sie liebt und dem sie vertrauen kann.
Das Publikum der Neuinszenierung von „Les fausses confidences“ (Die falschen Vertraulichkeiten) von Luc Bondy spendet ihr bei der Deutschlandpremiere begeisterten Beifall. Der Auftritt im Großen Festspielhaus markiert unbestritten einen Höhepunkt der Ruhrfestspiele und löst den Anspruch auf die europäische Dimension des Festivals ein.
Huppert spielt die Hauptrolle in dem Werk von Pierre Carlet de Marivaux, es ist eine seiner Meister(liebes)komödien. Regisseur Luc Bondy verlegt die Marivaux-Komödie, 1737 uraufgeführt, allerdings ins Paris von heute.
Araminte, eine reiche und schöne Witwe, gehört zu den besten Kreisen. Ihr Diener Dubois empfiehlt ihr seinen früheren, jetzt verarmten Herrn als Sekretär. Dorante ist sogleich für seine Herrin und Arbeitgeberin entflammt. Sie erwidert seine Gefühle, aber wie kann sie sicher sein, dass er nicht nur ihr Geld will? Es bedarf vieler kluger Schachzüge, unter anderem „falscher Vertraulichkeiten“, um zum Ergebnis zu kommen - ja, Dorante ist der Richtige!
In der Schlussszene überschreiten die Schauspieler alle Wahrscheinlichkeiten und deuten gegen alle Konvention ein ganz ungewöhnliches Glück an — statt einer Umarmung legt Araminte sich zufrieden auf eine Kommode, ihr Geliebter Dorante auf den Boden — trotzdem scheinen alle Wünsche erfüllt.
Das Ensemble spielt uneinheitlich, Isabelle Huppert und ihr junger Partner Louis Garrel als Dorante verkörpern das Liebespaar überzeugend, die Nebenfiguren, Typen der commedia dell’arte, bleiben oft zweidimensional, die Späße oft der Tradition verhaftet. Bulle Ogier spielt Madame Argante, die Mutter Aramintes, als komische Alte, die den Standesdünkel ihrer Zeit vertritt: Statt viel Geld zu haben, gilt es, noch mehr Vermögen anzuhäufen und mit einem Titel zu verbinden. Liebe und Herz sind etwas für weltfremde Narren — Marivaux gibt die ständische Vernunft seiner Zeit der Lächerlichkeit preis.
Luc Bondy (65) fügt dem Witz Marivaux' seinen eigenen hinzu: Der Standesdünkel der aristokratischen vorrevolutionären Gesellschaft in Frankreich hat seine Entsprechung heute. Die Ungleichheit von Arm und Reich fördert das Misstrauen und macht unendliche Intrigen nötig, um dem anderen möglichst auf die Schliche zu kommen. Vertrauen wird erst nach intensivster Prüfung möglich. Seine deutliche Intention: Wir haben es nicht weit gebracht, wenn die Probleme um Liebe und Vertrauen heute ganz ähnlich sind wie 1737.