Zeitgenössisches dominiert Neue Zeiten am Berliner Ensemble - Oliver Reese startet
Berlin (dpa) - Als „Klassiker-Museum“ wurde das Berliner Ensemble in der 18-jährigen Ära von Claus Peymann oft bezeichnet. Der Neue am traditionsreichen Theater am Schiffbauerdamm klopft deshalb erstmal gründlich den Staub aus allen Ritzen.
Den ersten Spielplan von Intendant Oliver Reese (53) dominieren zeitgenössische Werke noch lebender Autoren. Eine Ausnahme gibt es allerdings bei dem am Donnerstag startenden Reigen der Eröffnungspremieren.
Michael Thalheimer - bekannt für seine prägnanten Klassiker-Extrakte - nimmt sich am Samstag Brechts Stück „Der kaukasische Kreidekreis“ vor - mit der preisgekrönten österreichischen Schauspielerin Stefanie Reinsperger, die damit ihr Berlin-Debüt gibt.
„Das ist auch eine Verneigung vor dem berühmtesten Hausherrn des Berliner Ensembles, Bertolt Brecht“, sagt der gebürtige Westfale Reese, der zuletzt Intendant am Schauspiel Frankfurt war. „Mit „Der kaukasische Kreidekreis“ eröffnete Brecht 1954 das Theater neu. Aber wir zeigen das Stück vor allem, weil es fragt: Wem gehört eigentlich was? Was ist Eigentum? Was ist der wahre Besitz?“
Um das Hier und Jetzt soll es in den Stücken gehen, die künftig den Spielplan der altehrwürdigen Bühne bestimmen.
„Wir zeigen 17 Stücke im ersten Jahr und 12 davon sind von lebenden Autoren geschrieben“, so Reese. „Die Meisterwerke der dramatischen Literatur haben die Jahrhunderte überdauert, weil sie Meisterwerke sind. Aber es kann doch nicht die Frage sein: Wie erzählen wir die immer gleiche Geschichte neu?“, sagt der Theaterchef.
„Wir gehen ja auch nicht ins Kino und gucken uns permanent neue Remakes von „Vom Winde verweht“ an. Dieses Mal von Christian Petzold mit Nina Hoss und Jürgen Vogel. Das nächste Mal von Steven Spielberg mit Nicole Kidman und Robert De Niro.“
Werke von Zeitgenossen wie Ersan Mondtag, Tracy Letts, Alexander Eisenach, Duncan Macmillan und Rainald Götz sind deshalb in Reeses Programm zu finden. Der Intendant selbst zeigt als Uraufführung „Panikherz“ nach Benjamin von Stuckrad-Barre. Und, Fans der „alten“ Volksbühne aufgepasst: Reese ist es gelungen, den Ex-Volksbühnen-Chef Frank Castorf zu engagieren. Castorf wird in den nächsten fünf Jahren in Berlin ausschließlich am Berliner Ensemble Theater machen. Als erstes bringt er Victor Hugos „Les Misérables“ auf die Bühne.
Los geht es am Donnerstag (21.9.) aber erstmal mit Camus' „Caligula“ - mit der großen Tragödin Constanze Becker in der Titelrolle und inszeniert von Antú Romero Nunes. Die Grenzüberschreitungen der Herrscherfigur Caligula erinnerten an „den Irrwitz unserer Gegenwart“, meint Reese.
Es folgt am Freitag (22.9.) das Beziehungsdrama „Nichts von mir“ des Norwegers Arne Lygre. In dem von der Slowenin Mateja Koleznik inszenierten Stück spielen unter anderem Stars wie Corinna Kirchoff, Judith Engel und Anne Ratte-Polle.
Zum Abschluss am Samstag (23.9.) wird dann Thalheimers „Der kaukasische Kreidekreis“ gezeigt.
Das „alte“ Berliner Ensemble wird aus dem Repertoire des neuen Berliner Ensembles aber nicht ganz verschwinden. So wird unter anderem Peymanns Kleist-Inszenierung „Prinz von Homburg“ weiter zu sehen sein. Und auch Heiner Müllers legendäre Brecht-Inszenierung „Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui“ von 1995 - mit Martin Wuttke in der Hauptrolle - soll wieder auf dem Spielplan auftauchen.