Düster und deprimierend Theaterfestival Avignon: Die Welt ist aus den Fugen

Avignon (dpa) - Die einen zeigen, wie Menschen zu Monstern werden, die anderen fragen sich, wie man in dieser Welt noch in Würde leben kann. Die Themen, die das Theaterfestival in Avignon zum Auftaktwochenende bot, sind düster, schwer und deprimierend.

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Sie handeln von Hass, Macht, Korruption, Gewalt und Terrorismus. Sujets, die jedes Jahr auf dem Festival-Programm stehen. Dieses Jahr werden sie besonders wirkungsstark präsentiert.

Den Ton gab Frankreichs Regie-Star Thomas Jolly mit „Thyeste“ an, einem der grausamsten Werke des römischen Dichters und Philosophen Seneca. Die Tragödie handelt von den Brüdern Atreus und Thyest, die mit allen Mitteln um die Macht kämpfen. Dabei schreckt Atreus auch nicht davor zurück, die Kinder seines Bruders zu töten und sie ihm als Festmahl zu servieren.

Von dem Königsdrama lässt Jolly nur das Gerüst übrig, denn dem 36-Jährigen geht es in dem Drama mit Verrat, Inzest und Kannibalismus um die Psychologie seiner Protagonisten. In einer spektakulären Inszenierung im berühmten Ehrenhof des Papstpalasts mit Chören und Lichteffekten auf der riesigen mittelalterlichen Fassade zeigt er, wie Hass und Rachegelüste aus dem Menschen ein Monster machen.

So wie Jolly gehört auch Julien Gosselin zu den Stammgästen des Festivals und den Regie-Stars Frankreichs. In „Joueurs, Mao II, les Noms“ (etwa: Spieler, Mao II, Namen) hat er drei Romane des amerikanischen Schriftstellers Don DeLillo verarbeitet. Sein achtstündiges Stück dreht sich um Terrorismus, Fremdbestimmung, Manipulation des Menschen und das Leben in der modernen Gesellschaft.

Der 31-Jährige hat ein komplexes Werk geschaffen, in dem er die Frage nach den Gründen von Gewalt und Terrorismus mit der nach der Wirkkraft von Worten und Texten verbindet. Er wolle kein Theater, das gefalle, erklärte Gosselin zu seiner Inszenierung. Er wolle hinterfragen und bei den Zuschauern etwas bewegen. Dazu bedient er sich einer riesigen Videowand, vor der die Schauspieler zu ohrenbetäubender Musik auftauchen.

Festivalchef Olivier Py hat „Pur Présent“ (etwa: Reine Präsenz) inszeniert. In der zeitgenössischen Tragödie versuchen seine Protagonisten Antworten auf die Frage zu finden: Wie kann man in der heutigen Welt würdig leben? Wie bei allen von Py geschriebenen und inszenierten Stücken steht die Kritik am Kapitalismus im Mittelpunkt. Ein Teil des Werks spielt in einem Gefängnis. Dabei kommt es zwischen einem Gangsterboss und einem Seelsorger aus bürgerlichen Verhältnissen zu einer Art Klassenkampf, der mit einem Mord endet.

Die Produktion „Au-delà de la Forêt, le Monde“ (etwa: Jenseits des Waldes, die Welt) handelt von der Flüchtlingskrise in Europa. Im Mittelpunkt steht die Geschichte des Jungen Farid, der zusammen mit seinem Bruder aus Afghanistan nach England flüchtet. Die Odyssee führt den Zwölfjährigen nach Nordfrankreich in das Migranten-Zeltlager „Dschungel von Calais“, das 2016 geräumt und geschlossen wurde.

Dass es der Welt schlecht geht, zeigen täglich die Medien. Warum die Welt jedoch aus den Fugen gerät, will dieses Jahr das Festival in Avignon zeigen.