Viel Theater - Das Ruhrgebiet trumpft auf
Bochum (dpa) - Für das Bochumer Schauspielhaus ist es ein Coup: Der renommierte niederländische Theatermacher und derzeitige Ruhrtriennale-Intendant Johan Simons wird 2018 die bekannteste Bühne des Reviers übernehmen.
Am Freitag wählte der Verwaltungsrat des Theaters den neuen Intendanten.
Schon vorher war durchgesickert, dass Simons zugesagt habe. Die niederländische Zeitung „NRC Handelsblad“ zitierte Simons mit den Worten, er sei gebeten worden und habe Ja gesagt - allerdings unter einigen Bedingungen. Denn bis 2017 leitet Simons die Ruhrtriennale, außerdem hat er Verpflichtungen in Gent und Rotterdam.
Das Schauspielhaus Bochum glänzt seit Jahrzehnten mit großen Namen der Theaterwelt. Simons steht in der Nachfolge einer ganzen Reihe prominenter Intendanten von Peter Zadek über Claus Peymann bis zu den einstigen Newcomern Leander Haußmann und Matthias Hartmann, die in Bochum den Durchbruch schafften. Simons weiß, wo er hinkommt: „Zadek und Peymann. In dieser Tradition würde ich gerne stehen“, sagt er am Freitag nach seiner Wahl.
In den vergangenen Jahren hat der 2017 nach Frankfurt wechselnde Intendant Anselm Weber in Bochum ein solides Stadttheater gemacht. Auslastungszahlen von über 80 Prozent sprechen für sein Programm - und die Treue des Bochumer Publikums im dicht besiedelten Ruhrgebiet, das eine der höchsten Theaterdichten Deutschlands aufweist.
Auch bekannte Schauspieler wie Dietmar Bär („Tatort“ Köln), Mechthild Großmann („Tatort“ Münster) oder Peter Lohmeyer („Das Wunder von Bern“) verschaffen mit ihren Gastengagements dem Schauspielhaus überregionale Strahlkraft. Das Haus hat ein Budget von 20 Millionen Euro im Jahr. „Es ist gut konsolidiert“, sagt Bochums Kulturdezernent Michael Townsend.
Der von Kritikern auch „Regie-Großmeister“ bezeichnete Simons hat schon als Intendant der Münchner Kammerspiele 2010 bis 2015 viel Lob und Preise eingeheimst. Seine Auftaktsaison bei der Ruhrtriennale vergangenes Jahr wurde von der Kritik weithin gelobt. Die Auslastung lag bei über 90 Prozent. Aufsehen erregte Simons' Auftaktinszenierung „Accattone“ nach einem Pasolini-Film, die er in eine wüste, halboffene und verlassene Kohlenmischhalle verlegte.
Bochum ist für Simons sozusagen ein Heimspiel. Seit vielen Jahren macht er auch im Ruhrgebiet Theater und behauptet, er kenne das Revier genauso gut wie gebürtige Ruhrpottler. Und er mag es: „Ich fühle mich im Ruhrgebiet sehr wohl. Ich mag die Mentalität: Die Menschen sind ehrlich, neugierig und offen, sich auf Theater und Kunst einzulassen“, sagt er am Freitag.
Allerdings ist die Theater-Konkurrenz gerade im „Pott“ groß. Städte wie Dortmund, Essen, Oberhausen und Gelsenkirchen leisten sich trotz aller Finanzprobleme im ehemaligen Kohle- und Stahlrevier ihre Bühnen. „Wenn man sieht, welchen Strukturwandel diese Region hinter sich hat, ist man doch erstaunt, mit welcher Selbstverständlichkeit hier Theaterförderung betrieben wird“, sagt der Geschäftsführer des Deutschen Bühnenvereins, Rolf Bolwin.
Die Theater kennt man auch über die Reviergrenzen hinaus. Im nur 25 Kilometer von Bochum entfernten Dortmund etwa macht Intendant Kay Voges mit provokativen Experimenten Theater für ein junges Publikum. Auch in Oberhausen kommen bei Intendant Peter Carp immer wieder gewagte Inszenierungen internationaler Regisseure und Nachwuchstalente auf die Bühne.
Simons, der in diesem Jahr 70 Jahre alt wird, wird mit seinem eher literarischen Theater wohl einen Kontrast dazu bilden. Hochgelobt wurden seine oft politischen und sozialkritischen Inszenierungen etwa von Joseph Roths „Hiob“ in München oder Georg Büchners „Dantons Tod“, andere Stücke wurden aber auch verrissen. Für Bochum aber sei es eine „großartige Lösung“, einen so profilierten Intendanten wie Simons für sich gewinnen zu können, meint Bolwin.
Dagegen sieht es am Rhein derzeit eher trüb aus. Das Kölner Schauspielhaus konnte an die Erfolgsära unter der nach Hamburg gewechselten Karin Beier bisher nicht anknüpfen. Das Düsseldorfer Schauspielhaus kämpft nach mehreren Intendantenwechseln mit der Krise und dem Verlust des Publikums. Zu allem Unglück musste das vom Land großzügig mitfinanzierte Theater das Stammhaus wegen Sanierungen räumen und wird bis mindestens 2017 in einer Ersatzspielstätte spielen. „Im Ruhrgebiet ist die Theatersituation in weiten Teilen stabiler als im Rheinland“, folgert Bolwin.
Gespannt darf man nun sein, wie Simons sein Konzept für Bochum als eines länderübergreifenden, europäischen Theaters umsetzen wird. Dabei plant er ein Netzwerk mit dem belgischen Stadttheater NTGent und dem in Neuen Theater Rotterdam, das er gerade mitgründet. „Ich möchte, dass die Menschen kommen, um hier großartiges Theater zu sehen.“ Was will man mehr?