100. Todestag Der Maestro des Dramas: Giacomo Puccini
Rom · Mit Opern wie „Tosca“, „La Bohème“ und „Madame Butterfly“ kam Puccini zu Weltruhm. Bis heute gehören sie zum Standardprogramm großer Häuser. Jetzt jährt sich der Todestag des Italieners zum 100. Mal.
Der Tod von Giacomo Puccini hatte viel von dem, was eine große Oper braucht: eine schlimme Krankheit, Kehlkopfkrebs, ein Siechtum fern der Heimat, in Brüssel, und ein doch verhältnismäßig frühes Ende, mit 65 Jahren. Als die Nachricht bekannt wird, trauert in Italien jeder. Mit dem Zug geht es zurück in die Heimat, die Trauerfeier ist in Mailand. Hunderttausende begleiten den Kondukt mit dem Sarg zum Dom. Alles trägt Schwarz. Das Requiem, das im Kirchenschiff erklingt, hat Puccini in jungen Jahren selbst geschrieben.
Am heutigen Freitag (29.11.) jährt sich der Todestag des, neben Giuseppe Verdi (1813-1901), wohl bekanntesten italienischen Komponisten zum 100. Mal. Die drei wichtigsten Werke „Tosca“, „La Bohème“ und „Madame Butterfly“, so melodienselig wie tränenreich, gehören zum Standard-Repertoire der Klassikwelt. Bei Arien wie „Nessun dorma“, „Oh mio babbino caro“ oder „E lucevan le stelle“ schmelzen auch Leute dahin, die ansonsten mit Oper nichts anfangen können. Macht, Liebe, Tod - und eine gute Portion Kitsch dazu.
Name Puccini garantiert bis heute gute Geschäfte
Geboren wurde Puccini kurz vor Weihnachten 1858 in der Toskana, in eine Musikerfamilie hinein. Schon einer der Urgroßväter komponierte. Der Vater war Organist am Dom von Lucca und Generalmusikdirektor der Stadt. Er brachte Giacomo das Orgelspielen bei, als dieser gerade fünf war. Mit 18 pilgerte er zu Fuß bis nach Pisa, um dort Verdis „Aida“ zu sehen. Bei der ersten eigenen Oper („Le Villi“) war er 25. Mit dem Nachfolger „Edgar“ ging es dann zum ersten Mal nach Mailand an die Scala.
Die Heimatstadt huldigt ihrem berühmtesten Sohn heutzutage, wie es sich gehört: Auf der Piazza Cittadella von Lucca thront Puccini als Denkmal aus Bronze, lässig-elegant im Dreiteiler, natürlich mit Zigarette in der Hand. In unmittelbarer Nähe werben die Osteria „Tosca“, das Bistro „Paris Bohème“ und das Café „Madama Butterfly“ um Kundschaft. Im Teatro del Giglio, ein paar Straßen weiter, haben sie zum 100. Todestag wieder „Tosca“ auf den Spielplan gesetzt - so wie unzählige andere Opernhäuser auch.
Zu Lebzeiten reichster Musiker der Welt
Gegen die Geschäfte mit seinem Namen hätte Puccini wahrscheinlich nicht allzu viel einzuwenden: Der Maestro war auch ein Meister der Vermarktung, reichster Musiker seiner Zeit. Sein Vermögen wird, nach heutiger Kaufkraft, auf mehr als 200 Millionen Euro geschätzt. Schon zu Lebzeiten wurde er rund um die Welt gespielt. Die Platten mit seinen schönsten Arien waren Bestseller schon in den Anfangsjahren des Grammophons. Selbst die Kinos, damals noch in der Stummfilm-Ära, zeigten Puccini - mit Begleitung am Klavier.
Zudem gab es Puccini-Kalender, „Tosca“-Bonbons, „Butterfly“-Porzellanfigürchen. 1921 kam mit Erlaubnis des geschäftstüchtigen Italieners der Damenduft „Tosca“ auf den Markt („Für die Frau ab 50“) - bis heute eines der meistverkauften Parfums der Welt. Vom vielen Geld ließ sich Puccini sogar in die Vereinigten Staaten locken, wo er aber in eine schwere Schaffenskrise geriet. Die in Amerika entstandene Oper „Das Mädchen aus dem goldenen Westen“ ist heute ziemlich vergessen.
„Ich möchte die Menschen zum Weinen bringen“
Zehn Opern hinterließ er insgesamt: Die ersten fünf geschrieben noch im 19. Jahrhundert, die anderen dann bereits im 20. Der deutsche Kritikerpapst Joachim Kaiser urteilte: „Aufregendere, blutrünstigere, grausamere Opern, die gleichwohl diesen künstlerischen Rang aufweisen, lassen sich kaum nennen.“
Puccini selbst schrieb übers eigene Werk: „Ich möchte die Menschen zum Weinen bringen. Darin liegt alles.“ Und über sich selbst: „Ich habe immer ein großes Bündel an Melancholie mit mir getragen. Ich habe keinen Grund dazu, aber so bin ich geschaffen.“
Oft stehen bei Puccini Frauengestalten im Vordergrund. Aus der Sympathie mit seinen Heldinnen macht Puccini keinen Hehl, lässt sie aber trotzdem meist ein tragisches Ende finden. Das DDR-Opernlexikon erkannte in der Parteinahme für Leidende und sozial Unterdrückte „Kritik an den spätbürgerlichen gesellschaftlichen Verhältnissen“. Zuvor schon hatten ihn auch die italienischen Faschisten für sich zu vereinnahmen versucht. Von all dem bekam Puccini aber nichts mehr mit. Heute wird mit seinem Werk weniger politisiert.
Letztes Werk blieb unvollendet
Die letzte - und für viele auch die größte - seiner Opern blieb unvollendet: „Turandot“. Als sie anderthalb Jahre nach Puccinis Tod Weltpremiere hatte, im Mai 1926, an der Scala, wo auch sonst, brach Dirigent Arturo Toscanini die Aufführung mit größtmöglichem Drama ab: Exakt an der Stelle, an der Puccini seine letzten Noten gesetzt hatte, machte er Schluss.
So wie es Puccini kurz vor seinem Tod vorhergesagt hatte: „Diese Oper wird unvollständig aufgeführt werden. Und dann wird jemand an die Rampe treten und sagen: "An dieser Stelle ist der Maestro gestorben."“ Inzwischen wird „Turandot“ doch zu Ende gespielt - nach Skizzen, die Puccini hinterlassen hatte.
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