Berlinale-Bilanz: Wer macht das Rennen?

Berlin (dpa) - Jetzt hat die Berlinale-Jury das letzte Wort. Nach einem durchwachsenen Wettbewerb gibt das siebenköpfige Gremium am Samstagabend die Gewinner des Goldenen und der Silbernen Bären bekannt.

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Zu den Favoriten bei den 65. Berliner Filmfestspielen zählen Werke aus Guatemala, Chile, Iran und Großbritannien - aber auch der Echtzeit-Thriller „Victoria“ des deutschen Filmemachers Sebastian Schipper könnte Bären-Chancen haben.

Zum Abschluss wurde es am Freitag noch märchenhaft: In Kenneth Branaghs witziger und romantischer „Cinderella“-Verfilmung glitzerten Cate Blanchett, Lily James und Helena Bonham Carter um die Wette - das Publikum der ersten Festivalvorführung war hingerissen von dem außer Konkurrenz laufenden Film.

Die Bären-Jury gilt traditionell als unberechenbar, oft schon gewann ein Außenseiter-Film den Hauptpreis. Neben US-Regisseur Darren Aronofsky (Black Swan“, „Noah“) als Jury-Präsident entscheiden über die Sieger dieses Mal auch der deutsche Schauspieler Daniel Brühl („Rush - Alles für den Sieg“), die Französin Audrey Tautou („Die fabelhafte Welt der Amélie“) und „Mad Men“-Erfinder Matthew Weiner.

Stars wie Nicole Kidman, Natalie Portman, James Franco, Helen Mirren, Juliette Binoche, Robert Pattinson und die „Fifty Shades of Grey“-Darsteller Dakota Johnson und Jamie Dornan glänzten in den vergangenen Tagen auf dem roten Teppich. Doch die Bilanz des Jubiläums-Festivals fällt gemischt aus.

Die Berlinale wälzte in einigen starken, aber auch etlichen schwächeren Wettbewerbsfilmen die Probleme der Welt - und wurde damit immerhin ihrem Ruf als politisch engagiertes Festival gerecht. Es ging um Kindesmissbrauch durch Kirchenmänner, Sklaverei, tabuisierte Homosexualität, unterdrückte Frauen und den Kampf um Meinungsfreiheit. Zu viele der im Ansatz ambitionierten Filme schleppten sich dann aber dramaturgisch recht zäh dahin.

Die zwei Deutschen im offiziellen Rennen um die Bären-Trophäen schlugen sich dagegen gut. Als Überraschungssieger des Festivals gilt Regisseur Schipper („Absolute Giganten“) mit seinem in nur einer einzigen Kameraeinstellung gedrehten, 140 Minuten langen Bankraub-Drama „Victoria“. Hauptdarsteller Frederick Lau, der die Jungs-Clique im Film anführt, gilt als Anwärter für den Preis als bester Schauspieler.

Auch in Andreas Dresens Romanverfilmung „Als wir träumten“ ging es um das Lebensgefühl männlicher Jugendlicher - mit viel Verständnis des Filmemachers für die Rohheit der Jungs in der Leipziger Nachwende-Zeit.

Der erfrischendste der insgesamt 19 Wettbewerbsfilme kam von dem 72-jährigen britischen Regisseur Peter Greenaway („Der Kontrakt des Zeichners“). In dem Biopic „Eisenstein in Guanajuato“ spekuliert Greenaway über eine Episode aus dem Leben des sowjetischen Regisseurs Sergei Eisenstein (1898-1948). Der durchaus für einen Darsteller-Preis in Frage kommende Finne Elmer Bäck verkörpert Eisenstein, der in Mexiko seine Homosexualität entdeckt. Greenaway spielt in dem Film lustvoll mit Farben, Formen und Eisensteins expressiver Montagetechnik.

Gut kam auch Jafar Panahis trotz Arbeitsverbots heimlich in Teheran gedrehter Film „Taxi“ an. Darin erzählt der iranische Regimekritiker witzig und subtil politisch vom schwierigen Leben in seinem Heimatland. Hart ins Gericht mit der Katholischen Kirche geht der beeindruckende chilenische Film „El Club“ (übersetzt: Der Club) von Pablo Larraín. Erzählt wird von Priestern, die wegen des Missbrauchs von Kindern exkommuniziert wurden und nun in einer Art WG in einem Haus am Meer leben. Dann taucht eines ihrer Opfer auf.

Ebenfalls ein Bären-Kandiat: Der erste je im Berlinale-Wettbewerb vertretene Film aus Guatemala. Jayro Bustamante erzählt in „Ixcanul Volcano“ von dem Maya-Mädchen María und ihrem vergeblichen Kampf um Selbstbestimmung. Hauptdarstellerin María Mercedes Coroy gilt genauso wie die Britin Charlotte Rampling (für ihre Rolle in dem Ehedrama „45 Years“) als Kandidatin für den Darstellerpreis.

Enttäuschend waren die mit Spannung erwarteten Wettbewerbsfilme der Regie-Altmeister Werner Herzog und Terrence Malick. Herzog ließ Nicole Kidman als „Queen of the Desert“ in einem fast kitschigen Liebesmelodram auftreten. „Regie-Phantom“ Malick predigte in seinem in Videoclip-Ästhetik gedrehten Sinnsucher-Films „Knight of Cups“ etwas ermüdend über den rechten Weg im Leben.