Preisverleihung Berlinale-Sieg für Rumänien - Deutsche gehen leer aus

Berlin (dpa) - Sex, Onanie und Sado-Maso: Der radikale rumänische Experimentalfilm „Touch Me Not“ hat bei der 68. Berlinale überraschend den Goldenen Bären gewonnen. Regisseurin Adina Pintilie (38) erforscht in ihrem halbdokumentarischen Film Spielarten und Grenzen menschlicher Sexualität.

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Jury-Präsident Tom Tykwer („Lola rennt“) sagte bei der Preisverleihung am Samstagabend, man habe nicht nur würdigen wollen, „was Kino kann, sondern auch, wo es hingehen kann“. Das auch mit deutschem Geld realisierte Werk hatte die Kritiker gespalten. Die deutschen Favoriten gingen leer aus.

Den Großen Preis der Jury holte die polnische Regisseurin Małgorzata Szumowska (44) mit ihrer Gesellschaftsparabel „Gesicht“ („Twarz“), die sich kritisch mit den Verhältnissen in Polen auseinandersetzt. Damit gingen die beiden wichtigsten Preise des Festivals an Frauen. Bei den Kritikern hatten ihre Filme nicht zu den heißen Favoriten gehört.

Drei Silberne Bären gab es für das südamerikanische Kino: So ging der Alfred-Bauer-Preis an den paraguayischen Film „Die Erbinnen“ („Las herederas“) von Marcelo Martinessi. Ana Brun (68) wurde für ihre Rolle in dem tragikomischen Drama um ein alterndes lesbisches Paar als beste Darstellerin gekürt.

Der mexikanische Regisseur Alonso Ruizpalacios holte für seinen vergnüglichen Verbrecherfilm „Museo“ gemeinsam mit Manuel Alcalá den Silbernen Bären für das beste Drehbuch. Zum besten Schauspieler wählte die Jury den Franzosen Anthony Bajon (23), der in Cédric Kahns „Das Gebet“ einen Drogenabhängigen spielt.

Bei den deutschen Kandidaten war die Enttäuschung groß. Wider Erwarten ging sogar Schauspieler Franz Rogowski (32) leer aus. Der Shootingstar der Berlinale überzeugte sowohl in Christian Petzolds Flüchtlingsdrama „Transit“ wie auch in Thomas Stubers poetischem Liebesfilm „In den Gängen“.

Auch die beiden Filme, bei Kritikern hoch gehandelt, konnten keinen der Hauptpreise gewinnen. Das Nachwende-Drama „In den Gängen“ bekam aber immerhin den Preis der Ökumenischen Jury und den Preis der Gilde Deutscher Filmkunsttheater. Enttäuscht wurden auch die Hoffnungen von Marie Bäumer, die in „3 Tage in Quiberon“ grandios Romy Schneider spielt.

Mit dem Goldenen Bären für Adina Pintilie ging zum zweiten Mal in der Geschichte des Festivals der Hauptpreis nach Rumänien. Staatspräsident Klaus Iohannis sprach der Filmemacherin am Sonntag auf seiner Facebook-Seite einen „Glückwunsch für den prestigeträchtigen Preis“ aus.

Die 38-Jährige dankte nach der Verleihung besonders ihren Darstellern. Es sei unglaublich mutig, soviel persönliches Risiko bei den Dreharbeiten auf sich zu nehmen, sagte sie. „Es ist kein komfortabler Film.“ Auch die Auszeichnung für den besten Erstlingsfilm ging an Pintilie.

In ihrem Werk geht es um eine Frau, die keine Berührung erträgt. In einer Art Laborsituation will sie durch die Konfrontation mit den unterschiedlichsten Arten menschlicher Sexualität wieder zu eigener Körperlichkeit finden.

„Der Film ist eine Einladung zum Dialog und eine Ermunterung, uns dem Anderen zu öffnen“, sagte Pintilie nach der Verleihung. „Wir bieten den Zuschauern einen Spiegel an, in den sie blicken und sich fragen können, was für sie Intimität bedeutet.“

Den Silbernen Bären für die beste Regie sprach die Jury dem US-Kultfilmer Wes Anderson für seinen Animationsfilm „Isle of Dogs“ zu. Den Preis nahm der Schauspieler Bill Murray entgegen, der einem der Tiere seine Stimme leiht. „Ich möchte sagen: Ich bin ein Berliner Hund“, sagte er augenzwinkernd.

Elena Okopnaya bekam den Silbernen Bären für die herausragende künstlerische Leistung bei Kostümen und Design in dem russischen Schriftstellerdrama „Dovlatov“ ihres Mannes Alexey German Jr.

Insgesamt waren bei dem elftägigen Festival 385 Filme aus 78 Ländern zu sehen. 19 Filme liefen im Wettbewerb, 4 davon aus Deutschland. Am Sonntag ging die Berlinale mit einem Publikumstag zu Ende.