"Honig im Kopf": In Til Schweigers Tragikomödie geht es um Demenz
Demenz hat nicht nur traurige Seiten.
Berlin. Til Schweiger zählt als Schauspieler, Produzent, Autor und Regisseur zu den erfolgreichsten Filmschaffenden Deutschlands, vor allem seine romantischen Komödien wie „Keinohrhasen“ oder „Kokowääh“ und seine Einsätze als „Tatort“-Kommissar erreichen regelmäßig ein Millionenpublikum. Nun hat der 51-Jährige seinen zehnten Kinofilm inszeniert.
Die Tragikomödie „Honig im Kopf“ erzählt die bewegende Geschichte eines elfjährigen Mädchens (Emma Schweiger), das den Abschied von seinem an Alzheimer erkrankten Großvater (Dieter Hallervorden) so erlebnisreich wie möglich gestalten möchte.
Herr Schweiger, warum wollten Sie sich mit Alzheimer auseinandersetzen?
Til Schweiger: Die Autorin Hilly Martinek kam mit einer Drehbuch-Idee auf mich zu. Die Geschichte sollte sich im weitesten Sinne um Alzheimer drehen. Ihr Vater ist daran gestorben und ich kenne das auch aus meiner Familie. Ich dachte, lass´ uns das mal machen. Es gab bis jetzt eigentlich nur Fernsehfilme über das Thema und das waren reine Tragödien. Ich bin der Meinung, dass dieses Thema auch Stoff für eine Komödie liefern kann. Man kann mit Alzheimer-Patienten durchaus auch lustige Momente erleben.
Es ist wohl die schlimmste Krankheit, die man bekommen kann. Nicht nur für einen selbst, auch für die Angehörigen. Das Thema Alzheimer ist nach wie vor stark tabuisiert. Kaum jemand redet darüber, aber jeder weiß, dass es unsere Gesellschaft schon in naher Zukunft vor eine ihrer größten Aufgaben stellen wird. Unser Gesundheits- und Pflegesystem wird überfordert sein. Ich hoffe, wir können einen Beitrag dazu leisten, dass sich viele Menschen mit dieser Krankheit auseinandersetzen.
Der Film hat für Zuschauer, die Alzheimerfälle in der Familie hatten, einen Wiedererkennungswert. Wie haben Sie recherchiert?
Schweiger: Es war nicht so, dass wir gesagt haben, ach los, wir drehen jetzt mal eine Komödie über Demenz. Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht. Hilly hat ihre Erfahrungen im engsten Umfeld gesammelt und ich ebenso. Wir haben viel recherchiert und nachgelesen. Ich habe mich mit einem Demenzforscher getroffen und wir haben Geschichten von Demenzpflegern gesammelt. Als wir den Film der Alzheimer-Gesellschaft gezeigt haben, hat man uns bestätigt, dass die Darstellung der Krankheit und der familiären Situation absolut glaubhaft und authentisch sind. Das war wie ein Gütesiegel.
Hatten Sie schon als Zivildienstleistender Berührungspunkte zu Demenzkranken?
Schweiger: Nein. Damals hat man diese Diagnose noch gar nicht gestellt. Man sagte einfach, die sind alt und senil. Mein Großvater ist auch an Demenz gestorben. Früher hat man wohl gesagt, der spinnt. Heute weiß man, dass er dement war.
Wie schwer war es, die richtige Balance zwischen Komik und Tragik herzustellen?
Schweiger: Die Balance ist im Drehbuch. Meiner Meinung nach kann man sie nicht im Schneideraum herstellen. Ein unbalanciertes Drehbuch kann man auch im Schnitt nicht retten, es wird immer einen nicht ausbalancierten Film ergeben. Es gab Szenen im Film, von denen mir Leute gesagt haben, das kannst Du nicht machen. Dann habe ich geantwortet: „Doch, das kann ich machen und genau das will ich auch machen.“ Ein paar Leute aus meinem Umfeld sagten zum Beispiel, dass der doch nicht in den Kühlschrank pullern kann. Ich habe geantwortet, dass so etwas tatsächlich vorkommt und dass es genau der richtige Moment im Film ist, in dem er es tut.
Kann es einem Film förderlich sein, wenn sich Regisseur und Darsteller auch zwischendurch reiben?
Schweiger: Eigentlich bin ich harmoniesüchtig. Und gerade beim Drehen strebt man mit seinen Schauspielern die absolute Harmonie an. Im Idealfall ist es eine Zusammenarbeit von Schauspielern und Regisseur. Auf der anderen Seite muss man als Regisseur seinem Plan folgen, wenn man das inszenieren möchte, was man vorher im Drehbuch aufgeschrieben hat. Es kommt durchaus vor, dass man als Regisseur einen Plan hat und dann feststellt, dass die Idee eines Schauspielers besser ist als die eigene.
Dann habe ich Null Ego-Probleme und sage, du hast Recht. Wenn ich aber bei einer Sache hundertprozentig der Meinung bin, dass sie so sein muss, dann ist es schlichtweg meine Aufgabe als Regisseur, im Interesse meines Filmes darauf zu bestehen. Wenn ich als Schauspieler der Ansicht bin, im Recht zu sein, versuche ich den Regisseur mit allen Mitteln zu überzeugen.
Dieter Hallervorden ist im Film eine Klasse für sich.
Schweiger: Ja. Man hat bei „Sein letztes Rennen“ immer gesagt, das sei die Rolle seines Lebens. Das war sie bis dahin auch. Die Komplexität seiner Figur in „Honig im Kopf“ ist aber noch mal eine andere. Und er macht das wirklich großartig.
Wie haben Sie Ihre Tochter Emma an diese schwierige Rolle herangeführt?
Schweiger: Wie an jede andere Figur auch — gar nicht groß. Sie kennt das Thema ja auch aus unserer Familie. Emma ist eine absolute Instinktschauspielerin und sie ist im Laufe der Jahre immer besser geworden. Oft verlieren Kinderdarsteller mit den Jahren das Unbefangene. Bei Emma ist das genau andersrum. Sie wird immer mehr zu einer Schauspielerin. So großartig Dieter Hallervordens Vorstellung ist, man darf nicht vergessen, wie großartig Emmas Performance ist. Nicht nur für ein Kind ist das herausragend. Die Chemie zwischen Emma und Dieter ist fantastisch.