Münsteraner Tatort: Thiel und Boerne auf Rekordjagd

13 Millionen Zuschauer schalten beim Münsteraner Tatort ein. Woher kommt der Erfolg?

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Münster/Köln. Das WDR-„Tatort“-Team Thiel und Boerne — Axel Prahl (54) und Jan Josef Liefers (50) — scheint kaum zu stoppen. Die Folge „Mord ist die beste Medizin“ vom Sonntagabend durchbrach sogar die 13-Millionen-Zuschauer-Marke. Warum ist der Witzelkrimi aus Münster so erfolgreich? Sieben mögliche Gründe:

Es soll ja Leute geben, die gucken nur Fußball, wenn Weltmeisterschaft ist. So ähnlich ist das auch beim „Tatort“. Offensichtlich gibt es in Deutschland einige Millionen, denen der ARD-Sonntagskrimi weitgehend egal ist. Die durchschnittliche Zuschauerzahl von „Tatort“-Erstausstrahlungen liegt bei etwa neun Millionen. Nur zweimal im Jahr, wenn der Münster-Krimi kommt, wird der Sonntagabend zum „Tatort“-Abend bei weiteren drei bis vier Millionen. Ein Event.

Die Republik besteht nicht nur aus Berlin und Co. Die Mehrheit der Menschen lebt nicht in Metropolen, sondern in mittleren und kleineren Städten. So wie zurzeit der SC Paderborn, der Bundesliga-Spitzenreiter aus der Provinz, bestaunt wird, so wird auch der erfolgreiche Krimi aus der Fahrrad- und Studentenstadt Münster bewundert — als Sittenbild deutscher Befindlichkeit. Er repräsentiert das Land wohl mehr als der typische gesellschaftskritische „Tatort“ aus München, Köln, Berlin oder Frankfurt am Main.

Der „Tatort“-Experte François Werner („tatort-fundus.de“) meint: „Die Münsteraner können machen was sie wollen — die eingefleischten Fans haben eine ganz andere Erwartungshaltung. Bei Facebook geht es während der Ausstrahlung fast nur um die Qualität der Sprüche und Witze, alles andere scheint unwichtig.“

Auch wenn die Drehbücher vielleicht nicht immer optimal sind - die beiden Hauptdarsteller des Münster-„Tatorts“, Axel Prahl und Jan Josef Liefers, sind einfach gute Schauspieler. Oder vielleicht besser formuliert: Sie sind in den vergangenen zwölf Jahren (seit Oktober 2002 wurden 26 Fälle ausgestrahlt) mit ihren Rollen verschmolzen. Das kann natürlich auch nervig für sie werden und zu einem Schauspielerreflex führen, nämlich hinzuschmeißen und mal was Neues, Anderes machen zu wollen.

Der etwas unkonventionell und alternativ wirkende Thiel und der großbürgerliche, eher konservative Boerne — das Ermittlerduo aus Münster kann man als Spiegelbild deutscher Typen lesen. SPD und CDU? Die zwei politischen Volkspartei-Lager als Filmfiguren? Jedenfalls arrangieren sich die zwei irgendwie und arbeiten trotz Asympathie zusammen. Als wandelndes Klischee bereichert außerdem noch Thiels Vater Herbert (Claus Dieter Clausnitzer) die Krimis: ein Alt-68er, Taxifahrer und Kiffer.

Beim „Tatort“ fehlen oft große, komplexe Frauenrollen. Im Münster-„Tatort“ gibt es gleich drei interessante weibliche Figuren: Friederike Kempter als Assistentin Nadeshda Krusenstern, die Stimmgewalt Mechthild Großmann als rauchende Staatsanwältin Wilhelmine Klemm, die unter ihrem staatstragenden Job irgendwie zu leiden scheint, ihn aber macht, sowie die kleinwüchsige ChrisTine Urspruch als Rechtsmedizinerin Silke Haller, genannt „Alberich“, die sich wacker gegen ihren blasierten Chef Boerne schlägt.

Viele TV-Zuschauer fühlen sich offenbar abgeholt von den urdeutschen Filmen. Es geht wohl Millionen Deutschen darum, eben nicht hochgelobte Fernsehware aus den USA zu konsumieren, sondern Produktionen aus der Heimat mit Wiedererkennungswert.