Filmfest München Neues Deutsches Kino: Familien im Fokus
München (dpa) - Man sollte ihm besser nicht vor die Linse kommen. Der Teenager Karl filmt alles, was ihn umgibt - und stellt es dann auf seinen Blog. Karl ist der Protagonist in „Lomo“ (Regie: Julia Langhof), ein Film aus der Reihe „Neues Deutsches Kino“ auf dem Filmfest München.
In „Lomo“ warten unzählige Leser gespannt auf Karls Beiträge, sie können auch selbst dort posten. Seine Eltern haben kein Verständnis für diese Welt. Sie können nur hilflos zusehen, als die Internetgemeinde immer mehr Kontrolle über Karls Leben gewinnt.
Familiäre Konflikte spielen in „Lomo“ eine große Rolle. In den meisten anderen Beiträgen, die dieser Tage auf dem Filmfest Premiere haben, ist das ähnlich. Überhaupt war das Thema in der deutschen Kinolandschaft zuletzt sehr präsent, etwa in Maren Ades „Toni Erdmann“ und in „Willkommen bei den Hartmanns“ (Simon Verhoeven).
„Die Frage nach Beziehungen und Familie hat sich in den vergangenen Jahren intensiviert“, sagt Christoph Gröner, der die Programmreihe für das Filmfest betreut. Dabei könne es tatsächlich um Blutsverwandte gehen - aber im Zeitalter der sozialen Medien, in dem jeder in einem Netzwerk ist, erweitere sich das Thema extrem.
„Familie ist immer ein Thema“, meint der Regisseur Stephan Lacant - und hat eine einfache Erklärung dafür: „Familie ist schließlich die stärkste Prägung von Figuren.“ Auf dem Filmfest stellt er seinen Film „Fremde Tochter“ vor. Die Beziehung zwischen Mutter und Tochter wirkt darin erst einmal auffallend harmonisch. Sie trübt sich allerdings, als die Jugendliche überraschend von ihrem heimlichen Freund, einem jungen Muslim, schwanger wird.
Gesellschaften verändern sich - und das oft so rasant, dass die Eltern nicht hinterherkommen, während die Kinder sich längst angepasst haben. „Manchmal glaub' ich echt, ich leb' im falschen Jahrhundert“, sagt der Vater aus „Lomo“ an einer Stelle.
„Auch wenn man mit konkreter Familie oder Beziehung immer Erfahrung mitbringt, so ist doch nicht mehr alles selbstverständlich, weil die Rollenbilder nicht mehr einzementiert sind“, sagt Andreas Gruber von der Hochschule für Film und Fernsehen in München. „Das bringt Spielraum fürs Erzählen.“
So auch in der Satire „Fikkefuchs“ (Regie: Jan Henrik Stahlberg). Vater und Sohn versuchen sich gegenseitig zu helfen, Frauen aufzureißen. „Wir sind das fucking schwache Geschlecht“, sind sie sich einig. Die Mutter von Sohn Thorben sieht das naturgemäß anders.
Letztlich sei das Thema Familie aber auch aus kommerziellen Gründen interessant, sagt Regisseur Khaled Kaissar. Er ist mit seinem Film „Luna“ aufs Filmfest gekommen, der von einer 17-Jährigen erzählt, die auf der Suche nach den Mördern ihrer Eltern ist. Man müsse sich immer überlegen, wer das Zielpublikum sei - und mit einem Film über Familienkonflikte könne man eben viele Leute erreichen, sagt Kaissar. Erfahrungen mit Familie habe schließlich jeder Zuschauer gemacht - egal ob sie für einen da war oder nicht.