Prosecco statt Popcorn: Kino als Luxus-Event
Berlin (dpa) - Verstellbare Designersessel mit viel Beinfreiheit statt harter Holzsitze. Rotwein und Antipasti statt Taco-Chips mit Käsesoße.
Das Kino wird zu einer neuen Erlebniswelt. Angesichts der Konkurrenz von Internet und großen Flachbildschirmen zu Hause versuchen immer mehr Betreiber mit Luxus-Ambiente und zahlreichen Events neues Publikum in ihre Filmtheater zu locken. Vorreiter ist ausgerechnet Cinemaxx-Gründer Hans-Joachim Flebbe, der in den 90er Jahren die Multiplex-Kinos nach Deutschland brachte.
In Berlin modelte der Hamburger Kinounternehmer bereits am Kurfürstendamm den legendären Filmpalast in ein Edelkino um. Dort kann man am Platz Rotwein oder Champagner mit Käsehäppchen ordern und sein Auto in eine Parkgarage fahren lassen. Derzeit investiert Flebbe in der Hauptstadt gut 4,5 Millionen Euro in das traditionsreiche Premierenkino Zoo Palast. Besonders bequeme Ledersessel, weiche Teppiche, eine Cocktailbar und Garderobe sollen dem unter Denkmalschutz stehenden Kino künftig besonderes Flair verleihen.
Nach dem Luxuskonzept betreibt Flebbe auch in München und Köln Filmtheater. Außerdem ist er ständig auf der Suche nach neuen Standorten. In Frankfurt baut er derzeit in der achten Etage der Zeilgalerie ein ehemaliges IMax-Kino um. „Mit unserem Service bekommen wir Besucher ins Haus, die ihre Liebe zum Kino neu entdecken.“ Das Publikum sei durchaus älter als das der klassischen Multiplexe, betont der 60-Jährige.
In der deutschen Kinolandschaft mit seinen derzeit 1671 Spielstätten haben sich in den vergangenen Jahren zahlreiche Wandlungen vollzogen. Flebbe war es, der mit der Gründung der Cinemaxx-Gruppe 1989 die Multiplexe schuf: Riesenleinwände, Riesensäle, Blockbuster mit Popcorn. Sie lösten die Ära der Kinocenter mit den kleinen Schachtelkinos ab und brachten wieder mehr Leute in die Lichtspielhäuser.
Daneben gab es in schrumpfender Zahl die Programm- und Arthousekinos kleinerer Betreiber mit ganz speziellem Publikum. Heute tut sich dieses Segment schwer: In vielen großen und mittleren Städten existieren kaum noch solche Kinos. Vielen Unternehmen fehlt das Geld für neue Technik und Ausstattung. Eine Ausnahme bildet Berlin, wo allein die Yorck-Gruppe mit noch 14 Programmkinos auf dem Markt ist.
Die deutsche Kinokette Cinemaxx, die gerade von der britischen Vue Entertainment-Gruppe übernommen wird, saniert seit einigen Jahren ihre 31 deutschen Spielstätten. Hochmoderne Soundsysteme und bequeme Sessel werden eingebaut. Allein den Austausch von derzeit gut 60 000 Kinositzen lässt sich das Unternehmen sieben Millionen Euro kosten.
Auch Cinestar, unter deren Marke sowohl anspruchsvolle Arthouse-Filmtheater als auch Multiplex-Popcorn-Kinos betrieben werden, renoviert seine Häuser: „Für einzelne Standorte fallen da schon Summen bis zu knapp zwei Millionen Euro an“, betont Geschäftsführer Oliver Fock. Allein für die Digitalisierung seien bereits mehr als 20 Millionen Euro ausgegeben worden. Im vergangenen Jahr wurde zudem in Berlin ein „Event Cinema“ eröffnet, mit luxuriösen Ledersesseln und ausgewähltem Catering, in dem 3D-Filme wie in einem Amphitheater geschaut werden können.
Ein völlig neues Publikum versucht die Kinowirtschaft aber nicht nur mit edlem Ambiente vor ihre Leinwände zu locken. Lady-Nights mit kostenlosem Prosecco und Familientage mit speziellen Angeboten für Kinder stehen ebenso auf dem Programm. Stars werden eingeladen und Konzerte veranstaltet. In den Kinos von Cinestar und Cinemaxx werden auch immer wieder Opern-Aufführungen der New Yorker Metropolitan Opera live übertragen. „Das wird regelrecht zelebriert. Da kommen dann echte Opernfans, die sich ein Ticket an der Met nicht leisten können“, sagt Cinemaxx-Sprecher Arne Schmidt.