Regisseurin Feo Aladag: „Aus Respekt zeige ich keine toten Soldaten“

Regisseurin Feo Aladag begibt sich in „Zwischen Welten“ nach Afghanistan. Der vierte deutsche Beitrag im Berlinale-Wettbewerb.

Foto: STEFANIE LOOS

Berlin. Sie wirkt zart und zerbrechlich, die blonden Haare fallen Feo Aladag über die Schulter.

Ihr Handschlag ist fest und entschlossen. Im Gespräch spürt man, wie sehr Afghanistan die 42-Jährige berührt hat.

Wie sehr sie zeigen will, dass es keine leichten Lösungen gibt, wir uns aber der Schuld und Verantwortung stellen müssen.

Frau Aladag, der deutsche Einsatz in Afghanistan rückt zunehmend aus unserer Wahrnehmung. Ist er Ihrer Meinung nach gerechtfertigt?

Feo Aladag: Mein Blick darauf hat sich im Laufe der Recherchen immer wieder verändert. Der alte Spruch, je mehr du lernst, desto weniger weißt du, trifft es ganz gut.

Fällt es Ihnen schwer, dafür oder dagegen zu sein?

Aladag: Ja. Ich habe diesen Film nie als Generalkritik oder als Befürwortung des Einsatzes gesehen. Er nimmt die Tatsache, dass es diesen Einsatz gibt, als Grundlage, und stellt dann Fragen.

Es geht Ihnen auch um Schuld und um Verantwortung. Dabei verzichten Sie auf explizite Gewalt. Warum?

Aladag: Wenn wir es nicht eins zu eins sehen, sondern im Kopf ein Raum aufgeht und eine Vorstellung angetriggert wird, vermittelt das viel eher, worum es mir geht. Vieles lässt sich in Blicken und in Zwischenräumen besser darstellen.

Stumpfen wir ab, wenn wir zu oft getötete Soldaten sehen?

Aladag: Ja, das tut auch so wenig. Ich sehe keine Veranlassung dazu, so etwas auf der Leinwand zu zeigen. Allein schon aus Respekt vor denen, die jemanden verloren haben.

In einer Szene erzählt der deutsche Soldat Jesper einem afghanischen Befehlshaber, dass er seinen Bruder in diesem Krieg verloren hat. Der Mann antwortet ihm, er habe zwei Brüder verloren. Ist Verlust und Trauer zu ermessen?

Aladag: Ich glaube nicht. Für mich war der Kern, der Moment, wenn die beiden Männer sich anschauen und den Schmerz des anderen erkennen. Darin liegt die Möglichkeit zur Empathie, und damit auch zur Verbrüderung und Versöhnung.

Wohin führt das?

Aladag: Im zwischenmenschlichen Bereich machen Begegnungen ja nur Sinn, wenn wir uns wirklich begegnen. Und so sehe ich es auch im größeren Kontext, im Politischen. Wenn wir den Einsatz nur mitmachen, um ihn mitgemacht zu haben, sind die Opfer dafür zu hoch.

Sie haben Ihren afghanischen Hauptdarsteller in einem Dorf auf der Straße getroffen.

Aladag: Er stand tatsächlich plötzlich hinter mir. Ich habe Mohsin in seine wunderschönen braunen Augen geschaut, und eigentlich war es da schon um mich geschehen.

Es ist nicht zu glauben, dass er nie vor einer Kamera stand.

Aladag: Ich habe schon bei „Die Fremde“ unheimlich gerne mit Laien zusammengearbeitet. Bei Mohsin habe ich etwas besonderes gefunden, so ein zwischen den Welten sein: von Noch-Kind — dieses Fragile, Jugendliche — hin zum Mann-Sein und dem Zerrissen-Sein zwischen den Welten in seinem Land.

Die Schwester dieses Übersetzers ist die einzige Frau im Film. Wie wichtig ist die Rolle?

Aladag: Ich saß damals beim Gouverneur der Provinz Mazar-i-Sharif, weil ich Schutz für mein Team brauchte. Ich habe ihn gefragt, was er über sein Land jenseits der sonst kolportierten Bilder auf der Leinwand sehen möchte. Da hat er gesagt: Bildung — vor allem bei Frauen. In Mazar gibt es viele Unis, an denen junge Frauen studieren. Das stimmt. So viel jetzt dazu, ob dieser Einsatz richtig oder falsch ist.

Ihre knapp einjährige Tochter war bei den Dreharbeiten dabei. Hatten Sie Angst?

Aladag: Nona wurde auf Händen getragen und auf Eselsrücken durchs Dorf geführt. Ich würde im Leben nicht ein einziges Teammitglied dahin bringen, wo ich nicht auch mit meinem Kind hingehen könnte.