Interview Samuel Koch in Kino-Hauptrolle: "Erkennet, dass ihr sterben müsst“

Nachdem er am Theater bereits einige Rollen gespielt hat, ist Samuel Koch jetzt in seinem ersten Kinofilm zu sehen.

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Saarbrücken. Sein Berufswunsch war für Samuel Koch schon lange klar. Bereits mit zwölf Jahren erhielt er Schauspielunterricht, dann folgten kleinere TV-Auftritte und eigene Kurzfilme, bevor er 2010 mit seinem Schauspielstudium in Hannover begann. Zwei Monate später hatte er vor laufenden Kameras in der ZDF-Show „Wetten dass,..?“ einen Unfall, seit dem er im Rollstuhl sitzt. In „Draußen in meinem Kopf“ ist der 30-Jährige ab Donnerstag erstmals in einer Kino-Hauptrolle zu sehen.

Sie sind seit 2014 Ensemble-Mitglied im Staatstheater Darmstadt und haben unter anderem Hauptrollen in „Faust“, „Hiob“ oder „Prinz von Homburg“ gespielt. Bedeutete die erste Hauptrolle in einem Kinofilm eine andere Herausforderung?

Samuel Koch: Ja natürlich. Hauptrollen im Theater, das darf ich privilegierter Weise sagen, bin ich schon ein bisschen gewohnt. Aber Theater und Film kann man schwer vergleichen. Beides hat seine Vorzüge. Im Theater hat man diesen Live-Moment. Im „Faust“ bin ich drei Stunden auf der Bühne, als „Prinz von Homburg“ auch fast zwei Stunden ununterbrochen. Und man hat unmittelbar die Zuschauer vor sich. Was passiert, das passiert und das kann man auch nicht mehr ändern. Das ist beim Film ganz anders. Da ist einfach der Vorteil oder das Besondere, das Intensive, dass (...) man eine viel höhere Intensität hat, was das mimische oder gestische Spiel anbelangt. Und dass man im wahrsten Sinne des Wortes den Figuren in die Augen gucken kann — und im Optimalfall auch dahinter.

Ihre Regisseurin Eibe Ma¬leen Krebs hat gesagt, selbst querschnittsgelähmt zu sein, sei nicht die Voraussetzung gewesen, dass Sie die Rolle bekommen haben. Aber hat es Ihnen erleichtert, diese Rolle auszufüllen?

Koch: Ich würde behaupten, nein. Mir wurde ständig, fast täglich, gesagt, dass ich mich nicht so viel bewegen darf. Mich hatte eher der Charakter dieser Figur gereizt. Weil ich mit ihm dann doch so genau gar nichts gemein habe. Es ist heftig, sich vorzustellen, wie das ist, ohne Elternhaus, als Waise aufzuwachsen. Es ist heftig, sich vorzustellen, dass man weiß, man hat nur noch wenige Tage oder nur wenig Zeit zu leben.

Aber gerade diese Form von Ohnmacht — dass man beispielsweise nicht mal eben eine Fliege verscheuchen kann — können Sie doch besser nachempfinden als Menschen, die nicht querschnittsgelähmt sind?

Koch: Sicherlich gab es die Situation — so wie mit Sicherheit bei jedem Schauspieler — dass ich aus Erfahrungen schöpfen konnte oder diese mit Erlebtem angereichert war und mit gewissen Emotionen. Und trotzdem haben ja meine eigenen Emotionen dabei überhaupt nichts verloren. Sie wären da auch komplett fehl am Platz, wenn da irgendwas von Koch vorkommt. Sondern das war eben Sven. Und der geht ganz anders mit diesen Dingen um, mit dieser Ohnmacht.

Sie engagieren sich für Rückenmarksforschung, halten Vorträge bei Kongressen, Schulen und öffentlichen Einrichtungen: Was denken Sie, was dieser Film leisten kann, welche Wirkung erhoffen Sie sich?

Koch: Es gibt ja den alten oder weniger bekannten Vers, der mich auch angetrieben oder motiviert hat, mich dieser Herausforderung des Drehbuchs hinzugeben: „Erkennet, dass Ihr sterben müsst, auf dass Ihr klug werdet“. Das ist natürlich eine hochgesteckte Maxime, aber ich glaube, da ist schon ein bisschen was dran. Das heißt nicht, wenn man jeden Tag damit rechnet zu sterben, dass man dann unbedingt klug ist und bewusster durchs Leben geht. Aber es gibt so viel mehr Themen in diesem Film - (...) und im Idealfall kann der Film da einen Gedankenanstoß bieten. Hinzu kommt: Eine meiner Intentionen, diesen Film zu machen und überhaupt Schauspiel zu studieren, war Menschen anzurühren, zu bewegen, und wenn es nur im Innersten ist. Natürlich auch zum Lachen zu bringen, in dem Film kommt das mit dem großartigen Lars Rudolph in ein paar Szenen vor. Aber zu schaffen, Menschen zum Nachdenken anzuregen, das wäre toll.