Sandra Nettelbeck: Eine Deutsche erobert die USA
Interview: Nach ihrem großen Erfolg mit „Bella Martha“ drehte Sandra Nettelbeck ihren Film „Helen“ an der US-Westküste.
Düsseldorf. Sandra Nettelbeck gehört zu den wenigen deutschen Filmemachern, die es in den USA geschafft haben. Ihr Film "Bella Martha" ("Mostly Martha") war ein Riesenerfolg und wurde dort auch nachgedreht. Ihr neuer Film "Helen" über eine depressive Frau (gespielt von Ashley Judd) entstand komplett in den USA und feierte seine Weltpremiere auf dem diesjährigen Sundance Filmfestival von Robert Redford.
Nettelbeck: Nicht wirklich. Eigentlich wurde ich zu dem Film durch einen Artikel des Autors Andrew Solomon inspiriert. Darin beschreibt er seine Depressionen in einer Offenheit und Präzision, die ich vorher nicht kannte und die mir gleichzeitig ganz viel Informationen geliefert hat. Das hat mich dann wiederum inspiriert, eine Geschichte zu schreiben, die nichts mit meiner Freundin zu tun hat und trotzdem all das reflektiert.
Nettelbeck: Ja, das hat mich wahnsinnig beschäftigt: Wenn eine Depression Leute heimsucht, die denken, dass bei ihnen alles in Ordnung ist. Darauf basiert die Dramaturgie. Meine Hauptfigur Helen freundet sich mit ihrer ebenfalls depressiven Studentin Mathilda an. Die Krankheit verbindet die beiden Frauen und trotzdem zerbricht die Freundschaft daran, weil Helen die gemeinsame Ebene verlassen will. Mathilda lebt in ihrer Krankheit auf eine Weise, wie Helen das nur vorübergehend kann.
Nettelbeck: Es war für mich immer eine amerikanische Geschichte. Ich habe das Gefühl, sie sind da schon etwas weiter als wir, nicht unbedingt, was die wissenschaftliche Seite der Depression oder die Behandlung betrifft, aber was die Öffentlichkeit angeht. Es gibt dort ganz viele Erfahrungsberichte. Die Amerikaner gehen anders mit Geisteskrankheiten um als wir. Und ich wollte die Geschichte gern auf Englisch schreiben.
Nettelbeck: Weil die Sprache andere Möglichkeiten bietet. Ich hatte schon immer eine große Liebe und Nähe zur englischen Sprache. Bei so einem schweren Thema bringt die englische Sprache eine gewisse Leichtigkeit und Musik rein, die die deutsche Sprache nicht besitzt. Die deutsche Sprache ist in anderer Hinsicht einmalig, weil sie eloquent und vielfältig ist. Was ich in "Helen" an Stimmung und an Atmosphäre in den teilweise sehr existenziellen Dialogen haben wollte, geht in Englisch leichter. Aber das ist vielleicht auch meine persönliche Wahrnehmung.
Nettelbeck: Sie waren ganz wichtig. Wenn man so einen schwierigen Film machen will, muss man ihn prominent besetzen und damit der Finanzierung helfen. Mit Schauspielern, die man kennt, hat man auch andere Möglichkeiten, einen Film, der das Thema Depression behandelt, zu verkaufen. Ich wollte für die Rolle jemanden haben vom Kaliber einer Ashley Judd, die so etwas auch auf ihren Schultern trägt.
Nettelbeck: Ja, sehr. Vor allem durch die Gewerkschaften und die Vorschriften. Bei uns ist alles viel flexibler. Wir haben kleinere Teams, jeder trägt mehr Verantwortung. Dort ist alles geregelt. Man merkt, dass da eine viel größere Industrie am Werk ist.
Nettelbeck: Wir wollten an eine Küste, und wir brauchten Jahreszeiten. So sind wir in Vancouver gelandet. Das Farbkonzept sah metallische Grau-Blautöne vor. Wir haben darauf Wert gelegt, dass der Film in seinem Verlauf immer mehr an Farbe verliert. Je weiter die Reise geht, desto monochromer wird alles und steht im Kontrast zu den warmen Farben des Anfangs.
Nettelbeck: Es war erstaunlich. Immer wieder werde ich auf "Mostly Martha" angesprochen, dabei ist der Film schon acht Jahre alt. Da könnte jetzt wirklich mal etwas anderes kommen.