Homo-Hass - Künstler kehren Russland den Rücken
Moskau (dpa) - Die russische Operndiva Anna Netrebko mahnt zur Toleranz gegenüber Schwulen und Lesben. Der britische Schauspieler Stephen Fry reist sogar nach St. Petersburg - auch um den Politiker Witali Milonow bei dessen Hetzjagd auf Homosexuelle zu stoppen.
Popstars wie Madonna und Lady Gaga protestieren gegen das von Kremlchef Wladimir Putin erlassene Verbot, in Gegenwart von Minderjährigen gut über Homosexualität zu sprechen. In Berlin ist an diesem Samstag eine Kundgebung gegen Homophobie in Russland geplant.
Doch Russlands Gesetz gegen „Propaganda“ oder Werbung für Homosexualität - das Zeigen einer Regenbogenfahne etwa oder öffentliches Küssen - schlägt voll durch. Mit Geldbußen wird bestraft, wer zum Beispiel „nicht traditionelle Beziehungen“ normal nennt. Immer wieder gibt es deshalb sogar Festnahmen.
In St. Petersburg beschlagnahmte die Polizei nun bei einer Razzia Bilder in einem Museum. Der Künstler Konstantin Altunin kündigte an, das Land zu verlassen - wegen der „Bedrohungslage“. Eines seiner Bilder mit dem Titel „Travestie“ zeigt einen gemalten Putin im Negligé mit Regierungschef Dmitri Medwedew in Damenunterwäsche.
Zwar betont Putin, dass niemand in Russland wegen seiner Sexualität diskriminiert werde und Homosexualität selbst ja erlaubt sei. Experten aber meinen, dass Gewalttaten aus Schwulenhass bis hin zu Morden zugenommen hätten. In Internetforen verbreiten Homosexuelle entsetzt angebliche Aushänge von Hausverwaltungen in Wohnblocks mit Appellen, verdächtiges Verhalten von Nachbarn zu melden.
Das Staatsfernsehen Erster Kanal ließ seinen Hausideologen Dmitri Kisseljow hetzen, dass Schwule etwa nach tödlichen Unfällen die Herzen rausgerissen und diese verbrannt oder getrennt begraben werden sollen. Verboten ist in Russland nur Werbung für Homosexualität, aber nicht die Propaganda gegen sie.
Der deutsche Dramaturg Marius von Mayenburg sagte nun eine Reise zu einem Theaterfestival aus Protest gegen die staatliche Diskriminierung von Homosexuellen ab. Der US-Schauspieler Wentworth Miller verband seinen Verzicht auf einen Festivalbesuch in St. Petersburg sogar mit der ersten öffentlichen Erklärung, dass er Männer liebe. Die russische Kulturszene schwankt angesichts der westlichen Solidarität zwischen Respekt und Sorge.
In Internetforen bedauern Einzelne, dass nicht nur liberale und kluge Köpfe das Land verlassen, sondern jetzt auch noch die bei vielen Russen populären Idole aus dem Westen fernbleiben. Den Ton in Russland geben andere an. Der Regisseur und Oscar-Preisträger Nikita Michalkow („Die Sonne, die uns täuscht“) etwa, Präsident des Verbands der Filmschaffenden Russlands. Er warnt, dass die im Ausland immer mehr verbreitete Homo-Ehe die Kinoindustrie negativ beeinflusse.
„Wenn unnatürliche Dinge zur Norm werden, was lässt sich dann von einem Filmemacher erwarten?“, fragte Michalkow, der sich gern in Zarenrollen besetzt, eine Meisterklasse im Juli. Er gab selbst die Antwort: „Es kann kein gesundes und energiegeladenes Kino in einer Welt geben, in der gleichgeschlechtliche Ehen legal sind.“
Wohl auch deshalb sorgt aktuell ein Debütstreifen von Sergej Taramajew und Ljubow Lwowa für Furore in Russland. Der bei Festivals von Kritikern hochgelobte Film „Winterreise“ erzählt von der unglücklichen Leidenschaft zweier junger Russen füreinander. Das Kulturministerium habe sich eine Kopie kommen lassen, heißt es in Moskau. Ob der Film eine Lizenz erhält, ist unklar.
In Russland bietet die Kulturszene bisher eigentlich stets Nischen auch für kreative Schwule und Lesben. Gleichwohl hat nach außen kein prominenter russischer Homosexueller laut gegen das Gesetz protestiert. Zwar rief etwa „Pop-Papst“ Filipp Kirkorow seine Fans unlängst auf, in Sachen Liebe tolerant zu sein. Deutlicher wird der Mann, der seine Kinder von Leihmüttern austragen lässt, aber nicht.
„Das russische Showgeschäft ist voll von Karrieristen, die um jeden Preis den Schein wahren wollen. Keiner geht mit positivem Beispiel voran. Sie fürchten um ihre Existenzen“, meinte der Aktivist Nikolai Alexejew in einem früheren Gespräch.