Limbach für Rückgabe „entarteter Kunst“ an Museen

München (dpa) - Die frühere Bundesverfassungsgerichts-Präsidentin Jutta Limbach möchte die von den Nazis 1937 als „entartet“ beschlagnahmten Kunstwerke an jene deutschen Museen zurückgeben lassen, denen sie vor knapp 80 Jahren genommen wurden.

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Das zugrundeliegende NS-Gesetz sei unwirksam. „Gerade Museen, die "entartete Kunst" gekauft haben, waren doch in der Lage, das zu beurteilen“, sagte Limbach der „Süddeutschen Zeitung“. „Sie konnten diese Kunst schwerlich in der Hoffnung erwerben, diese ein für allemal behalten zu können.“

Limbachs Vorschlag ist durchaus radikal. Würde er umgesetzt, könnte das einen großen Ringtausch unter den deutschen Museen und gravierende Umwälzungen in der deutschen Museumslandschaft zur Folge haben. In den vergangenen Jahrzehnten von den Museen aufgebaute Sammlungen könnten auseinandergerissen werden.

Der Direktor des Wuppertaler Von der Heydt-Museums, Gerhard Finckh, hält den Vorschlag daher für „groben Unfug“, wie er der Nachrichtenagentur dpa sagte. Damit würden nicht nur die „nach 1945 mühsam neu zusammengekitteten Sammlungen wieder auseinandergerissen“, sondern es werde auch ein „riesiger Aufwand an Recherche“ notwendig. Am Ende wären manche Museen nach den Worten Finckhs ganz „ausgeblutet“, zumal ausländische Museen „nicht im Traum daran dächten, ihre in Deutschland mitgenommenen Kunstwerke zurückzugeben“.

Der Direktor des Sprengel Museums in Hannover, Reinhard Spieler, hält Limbachs Vorschlag noch aus einem anderen Grund für problematisch: „In Museen bewahren wir Erinnerung; die Verwerfungen der NS- Geschichte werden gerade an den Provenienzen sichtbar. Soll es wirklich ein Ziel sein, diese Geschichte unsichtbar zu machen?“

Der NS-Staat hatte Werke von Max Beckmann, Ernst Ludwig Kirchner, Wassily Kandinsky, Paul Klee und vielen anderen zeitgenössischen Künstlern als „entartet“ aus deutschen Museen geholt und ins Ausland verkauft. Von dort wurden nach dem Krieg viele Bilder von deutschen Museen wieder gekauft. Außerdem hatten die Besatzungsmächte sichergestellte Bilder aus NS-Depots später an Museen verteilt.

In den 1950er und 1960er Jahren hätten sich viele Museumsleute bemüht, die verfemten Künstler durch Ankäufe zu rehabilitieren, sagte der Hannoveraner Museums-Chef Spieler. Auch dies sei ein historisches Verdienst von Museen, Kommunen, Bundesländern und Stiftungen. Aus Spielers Sicht sollten sich die betroffenen Museen untereinander verständigen und vielleicht über die Möglichkeit von Werktauschen nachdenken.

Auch die Stiftung Preußischer Kulturbesitz, die für die staatlichen Museen in Berlin zuständig ist, sieht Limbachs Vorstoß skeptisch. „Der Vorschlag von Jutta Limbach wirft für die deutschen Museen viele Fragen auf“, sagte Stiftungspräsident Hermann Parzinger. „Vor allem befürchte ich eine große Unruhe und bin mir nicht sicher, ob es wirklich ein Gewinn wäre.“

Limbach, die die nach ihr benannte Limbach-Kommission zur Schlichtung von Raubkunst-Streitigkeiten führt, sagte im „SZ“-Interview: „Wenn "entartete Kunst" in dem Wissen gekauft worden ist, dass es sich um aus anderen Museen entwendete Bilder handelt, hätte ich keine Bedenken, das jetzt rückgängig zu machen. Für öffentliche Einrichtungen sollte es selbstverständlich sein, dass auch in diesem Fall eine Restitution stattzufinden hat.“ Heutige private Besitzer könne man aber nicht ohne weiteres einbeziehen.