Der amerikanische Traum US-Gegenwartskunst in Baden-Baden

Baden-Baden (dpa) - Ist es ein Aufruf oder in Zeiten von US-Präsident Donald Trump eine aktuell flehentliche Bitte?

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Letzteres, könnte man meinen, wäre das Kunstwerk „Imaginary Flag For USA“ von William N. Copley nicht über vier Jahrzehnte vor Trumps Amtsantritt entstanden: „Think“ prangt auf der sorgfältig per Hand genähten riesigen US-Flagge, links oben auf tiefblauem Grund, da, wo sonst die weißen Sterne der 50 Bundesstaaten abgebildet sind. Denk nach, Amerika! Denk nach über Amerika! - so also gewissermaßen das Motto der neuen Ausstellung „America! America! How real is real?“ des Museums Frieder Burda in Baden-Baden.

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Die Kuratoren der Schau, die von diesem Samstag an zu sehen ist, haben dafür weit ausgeholt und rund 70 Meisterwerke der US-amerikanischen Gegenwartskunst versammelt. Etwa zwei Drittel davon sind nach Worten von Christiane Righetti, neben Helmut Riedel verantwortlich für die Ausstellung, Werke aus der eigenen Sammlung des Hauses. Die restlichen Skulpturen, Gemälde oder Fotografien stammen von internationalen Leihgebern. Der Anspruch: Mithilfe der Ausstellungsstücke dem amerikanischen Traum und dessen Desillusionierung nachzuspüren, den grandiosen Gesten Amerikas hinterherzublicken und gleichzeitig dabei zuzusehen, wie das Land als Showmaster auf der eigenen Bühne dauerhaft hyperventiliert.

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Ist das neu? Natürlich nicht, aber jedenfalls sehr aktuell. Fast jedes der ausgestellten Werke leitet hin zu großen Themen, die mit den USA verbunden sind und an denen sich das Land schon immer abarbeitet - ästhetisch wie politisch: Status. Sex. Show. Rassismus. Todesstrafe. Kapitalismus und Konsum. Arroganz und Einsamkeit. Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Land der unbegrenzten Tristesse. Die in der Schau vertretenen Künstler von Andy Warhol und Roy Lichtenstein über Jeff Koons bis hin zu Cindy Sherman oder Robert Longo malen, fotografieren, modellieren den vielbeschworenen „American Way of Life“ als Feind und Freund, Desaster und Idyll, Verbrechen und Vorbild, Sehnsucht und Abscheu, kommentieren dreist oder wenden sich ernüchtert ab.

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„How real is real?“ (wie wirklich ist wirklich) fragt die Ausstellung im Untertitel. Eine recht allgemeine, weil auf der Hand liegende Frage in der Kunst, die Kurator Helmut Friedel aber gerne zuschneiden und in Beziehung setzen möchte zur Beurteilung von Wirklichkeit als „fake news“ (falsche Nachrichten) oder „alternative facts“ (alternative Fakten). Das misslingt zwar nicht, ist in der Zusammenstellung der Bilder aber auch nicht immer ganz schlüssig und etwas beliebig. Die Schau vereint Juwelen der amerikanischen Gegenwartskunst, fliegt insgesamt jedoch ein wenig durch den Radar des eigenen Themas.

Eine kurzweilige Freude ist der Streifzug durch „America! America! How real ist real?“ aber allemal. Die Werke sind großartige, dem Betrachter oft sehr bekannte Ikonen der Auseinandersetzung mit amerikanischen Realitäten: Alex Katz malt in harter Farbigkeit beklemmende Einsamkeiten inmitten von Menschen („Carver's Corner“ oder „Beach Stop“). James Rosenquist bringt den typisch amerikanischen Vorgarten auf die Leinwand, steril und etwas beängstigend. In Tom Wesselmanns „Smoker“ atmet ein obszön geöffneter Mund viel Rauch um nichts aus.

Ein Porträt zweier Freunde von Richard Philipps („Drawing For The General“) zeigt die beiden jungen Männer gebräunt, zahnpastalächelnd, businessbehemdet und beschlipst so klischeehaft amerikanisch, dass man sich ob seiner eigenen Vorurteile ganz gerne zurechtweisen möchte. „How real is real“? Darauf muss gottseidank niemand letztgültig antworten.