Handy am Steuer: Von einer Sekunde zur nächsten
Wichtig ist die Bewusstseinsbildung
Ein Punkt in der Verkehrssünderdatei, 60 Euro Bußgeld. Das droht bei Handynutzung am Steuer. Doch viele schreckt das nicht ab. Das Handy am Ohr des Autofahrers gehört zum Alltag. Ebenso wie das Lesen einer Textnachricht oder gar deren Beantwortung. Die meisten wären empört, wenn sie wüssten, dass der entgegenkommende Fahrer sich eben so verhält. Und doch trauen sich viele selbst ein solches Alles-auf-einmal-Tun (neudeutsch: Multitasking) zu.
„Von einer Sekunde zur nächsten“ heißt ein Dokumentarfilm, in dem Regisseur Werner Herzog Unfälle nachgezeichnet hat. Unfälle, zu denen es nur deshalb kam, weil jemand sich genau dieses Multitasking zugetraut hatte — und dafür sein und anderer Leben dramatisch veränderte oder beendete. Der Film ist ein Schritt zur Bewusstseinsbildung. Die jetzt vom NRW-Innenminister angekündigte Überprüfung von Handys nach bestimmten Unfällen mit Personenschäden kann ein weiterer Schritt sein.
Nun hält manch einer dagegen: Dann müsste doch auch das Navigationsgerät tabu sein. Ebenso das Wechseln einer CD oder die Sendersuche am Autoradio. In der Tat erscheint das Verbot auf der einen und das Erlaubtsein auf der anderen Seite widersprüchlich. Und selbst die Freisprechanlage macht das Telefonieren im Auto keineswegs unbedenklich. Auch hier, so haben Tests ergeben, reagiert der Fahrer aufgrund der Ablenkung später.
Doch müsste, wenn selbst die Freisprechanlage unsicher ist, nicht jedes Gespräch im Auto tabu sein, weil es den Fahrer doch auch ablenkt? Da gibt es einen gewichtigen Unterschied: Beim Telefonat weiß der Anrufer nichts von der jeweiligen Verkehrssituation, plappert munter drauf los. Ein Gesprächspartner im Wagen hingegen kann sofort still sein oder warnen, wenn sich eine gefährliche Situation ergibt.
Ob das autonom fahrende Auto eines Tages die Lösung sein wird, steht noch aus. Bis es so weit ist, wird sich ein durch Ablenkung aller Art verursachtes menschliches Versagen nie vermeiden lassen. Zu viele Verbote werden hier auch nicht helfen. Wichtiger ist die Bewusstseinsbildung dafür, dass wegen eines meist unwichtigen Telefonats alles vorbei sein kann — von einer Sekunde zur nächsten.