Keine Präsenzgottesdienste Kirchen als „Trosträume“ werden zu Räumen der Ansteckung

Meinung · Die Kirchen sollten in diesem Jahr Weihnachten auf Präsenzgottesdienste verzichten.

Stephan Burger, Freiburger Erzbischof, predigt im Münster beim Pontifikalamt zu Weihnachten.

Foto: dpa/Patrick Seeger

Es ist schon bemerkenswert, wie die relative Nähe eines Politikers zu seinem Wählerklientel selbst in Coronazeiten, da es um Leben und Tod geht, noch „funktioniert“. Als Vertreter der Wirtschaftspartei FDP hat sich Vize-Ministerpräsident Joachim Stamp lange gegen Lockdown-Maßnahmen gestemmt. Bis es auch für ihn angesichts des Hilferufes der Intensivärzte nicht mehr anders ging. Auch wenn ihm das als „bekennender und praktizierender Christ“, wie er sagt, nicht leicht falle: er spricht sich nun für einen generellen Verzicht auf Präsenzgottesdienste zu Weihnachten aus.

Sein Koalitionspartner, NRW-Regierungschef Armin Laschet von der Partei mit dem C in ihrem Namen, glaubt da mehr Rücksicht nehmen zu müssen. Ja, er werde nicht zu Weihnachten in die Kirche gehen, sagt er. Aber zu einem echten politischen Machtwort, einem Appell zumindest, kann er sich nicht durchringen. Da könnte er es sich mit manch einem christlichen Wähler oder auch Parteitagsdelegierten (im Januar geht es bekanntlich um den CDU-Vorsitz) verderben. Noch tun ihm die Kirchen, vor allem die Katholische Kirche, nicht den Gefallen, von sich aus flächendeckend auf Weihnachtsgottesdienste zu verzichten – und auf virtuelle Veranstaltungen zu setzen. Auch halten sie manch eines ihrer gottesfürchtigen Schäfchen in dem selbst empfundenen Dilemma: Wenn die Kirche Weihnachten ihre Türen öffnet, dann muss ich da in religiöser Pflichterfüllung doch wohl auch hin.

Kirchenvertreter sprechen von Trosträumen, die gerade in schlechten Zeiten geöffnet sein müssten. Trosträume? Für diejenigen, die sich im Gottvertrauen dorthin begeben, könnten sie zu Räumen der Ansteckung werden. Zur Gefahr für die Gläubigen. Und ebenso für alle, denen diese später nahe kommen. Trost ist keine Kategorie, in der das Virus „denkt“. Nein, es geht um Solidarität. Um die christliche Variante dieses Begriffs: Nächstenliebe. Dieses gerade zu Weihnachten viel gebrauchte Wort ließe sich jetzt duch die Kirchenoberen mit Leben füllen. In diesen Tagen, wo wir mit einem „macht hoch die Tür, die Tor macht weit“ nicht weiter kommen.