Meinung Überfälliger Kurswechsel in der Verteidigungspolitik
Die Freiheit der Deutschen werde auch am Hindukusch verteidigt, sagte der inzwischen verstorbene SPD-Verteidigungsminister Peter Struck. Der Satz gehört zu den geflügelten Worten deutscher Verteidigungspolitik.
Inzwischen muss man ihn ergänzen. Deutsche Soldaten setzen ihr Leben auch in Mali aufs Spiel, im syrischen Luftraum und als Ausbilder bei den Peschmerga im Irak. Sie retten Flüchtlinge im Mittelmeer, bekämpfen Schlepper in der Ägäis und Piraten vor Somalia. Die Freiheit der Deutschen zu verteidigen, wird immer komplexer. Und erfordert mehr denn je eine internationale Vernetzung mit Nato, EU und UNO.
Es werde nach dem Fortfall der Blöcke eine Friedensdividende geben, war auch so ein geflügeltes Wort. Deutschland hat diese Dividende tatsächlich 25 Jahre lang mit sinkenden Wehretats und der Abschaffung der Wehrpflicht eingestrichen. Doch jetzt muss das Land wieder investieren in seine Sicherheit. Jetzt fällt die Dividende aus, vermutlich für lange Zeit. Der islamistische Terror ist zu einer Weltbewegung geworden, die einen immer größeren Aufwand zur Eindämmung erfordert. Dazu kommt der Cyberkrieg, dazu kommen neue "hybride" Angriffsformen, wie Russland sie in der Ukraine praktiziert.
Zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts sollen die Nato-Mitgliedsstaaten für Verteidigung ausgeben, so lautet die alte Verabredung. Deutschland liegt seit langem bei nur 1,3 Prozent, und wird selbst dann kaum mehr ausgeben, wenn alles beschlossen ist, was Ursula von der Leyen an personellen und materiellen Reformen vorgeschlagen hat.
Das heißt nichts anderes als: Die reiche, wichtige und große Nation Deutschland lässt sich seine Freiheit und Sicherheit seit langem und auch künftig von anderen verteidigen. Zum Teil jedenfalls. Deshalb wäre es völlig überzogen, der Bundesregierung wegen ihres behutsamen Umsteuerns jetzt einen Aufrüstungskurs vorzuwerfen. Im Gegenteil, schon von der Leyens Vorgänger hätten nicht zulassen dürfen, dass die Bundeswehr derart zum Steinbruch des Sparens verkommt.
Bei alldem wäre der neue Kurs freilich leichter zu vermitteln, wenn sicher wäre, dass das Geld auch effektiv eingesetzt wird. Nicht für möglichst viel Lametta an den Uniformen von möglichst vielen Häuptlingen mit Beamtenstatus, nicht für Sondergewinne von Rüstungskonzernen, nicht für Einsätze, die halbherzig begonnen und durchgeführt werden. Wie es in Afghanistan zum Teil der Fall war.
Sondern für eine Armee, deren Soldaten bestens ausgerüstet, politisch durchdacht und international abgestimmt losgeschickt werden, auch um ihr Leben nicht sinnlos zu gefährden. Ursula von der Leyen hat einige Reformen eingeleitet, die hoffen lassen, dass es so werden könnte. Sicher sein kann man sich dessen aber noch lange nicht.