Und seit den jüngsten und beeindruckendsten Erfolgen in Bayern und Hessen (16,2 Prozent!) sitzen die Liberalen über den Bundesrat quasi mit am Kabinettstisch der Großen Koalition.
Guido Westerwelle hat den Liberalen das Gefühl der Unverzichtbarkeit zurückgegeben. Die größte Gefahr für die FDP aber ist, dass sie diesen Anspruch gut vier Monate vor der Bundestagswahl verinnerlicht. So sehr, dass sie für die Rückkehr an die Macht auch einen Schlingerkurs in Kauf nimmt. Den hat der Parteivorsitzende der staunenden Öffentlichkeit gerade selbst vorgeführt. Nachdem die Grünen die Liberalen zu ihrem Erzfeind erkoren hatten, schloss der FDP-Chef kategorisch eine Ampelkoalition aus - obwohl die politischen Beobachter wissen, dass er regelmäßig auch Fühlung zu den Sozialdemokraten hält. Als dann ausgerechnet seine Duzfreundin Merkel die gewünschte Festlegung auf eine schwarz-gelbe Regierung ausschlug, droht der Düpierte nun doch wieder mit der hässlichen Alternativbraut namens Ampel. Souveränität sieht anders aus.
Nicht nur für Guido Westerwelle gilt: In dem Maße, in dem die Parteien-Bindung der Wähler an abnimmt, wächst die Bedeutung der persönlichen Glaubwürdigkeit. All’ jene, die ihre Parteimitglieder mit markigen Sprüchen kampagnenfähig machen wollen, sollten zwei weitere Regeln beachten: Im Fünfparteiensystem erwarten die Wähler von den Bürgerlichen - zu denen längst auch die Grünen zählen - eine grundsätzliche Koalitionsfähigkeit. Und in der größten Wirtschaftskrise der Nachkriegszeit lassen sich die Menschen nicht mit unrealistischen Wahlversprechen ködern. Dieser Wahlkampf verlangt von den Politikern eine Ernsthaftigkeit, von der sie sich beim krampfhaften Heischen um Aufmerksamkeit offenbar entwöhnt haben.