Wir blicken zurück So hat uns die Grundschule geprägt
Annette Ludwig, Chefredaktion: "Die Grundschule hat mich tatsächlich fürs Leben geprägt. Und das lag an einer Person: meiner Klassenlehrerin Sabine Bock. Eine Lehrerin der alten Schule. Ledig, streng, mit Ansprüchen und Prinzipien. Das war nicht bequem. Aber wir Schüler haben eine Menge gelernt. Das galt für den Schulstoff, aber mehr noch für Grundsätzliches: Disziplin, Haltung, für etwas hart arbeiten – das hat sie uns einprägsam beigebracht. Es war selten kuschelig mit Frau Bock. Manchmal war es aber skurril: Wenn sie zufrieden war mit dem, was die Klasse gelernt hatte, marschierte sie in die rechte vordere Ecke des Klassenzimmers. Dort füllte sie sich an dem schlichten, weißen Keramikwaschbecken ein Glas mit Wasser. „Darauf einen Dujardin“, sagte sie dann. Ihre Anerkennung war etwas wert. Sie wurde sparsam verteilt. Ich bin noch heute ein klitzekleines bisschen stolz darauf, dass ich in der Klasse als erste mit dem Füller schreiben durfte – weil meine Handschrift so schön und lesbar war. Das aber hat nicht fürs Leben gehalten: Wer meine Schrift heute versucht zu lesen, wird darüber lächeln... "
... Und so sieht Annette Ludwig heute aus.
Olaf Kupfer, Redakteur: "Meine Erinnerung nach war da viel Gummitwist, Murmel spielen und Panini-Bilder tauschen. Wertvolle Murmeln waren das, selbst gekauft und stets im Jutesack gehütet – und dann doch schnell und unter Tränen verloren, wenn der Gegner sie im harten Pausenwettkampf im geformten Erdloch versenkte. Ich sehe sie heute noch jubeln. Noch wertvoller die Panini-Bilder: Endlich, Karl-Heinz Rummenigge! Worüber man sich als Stepke so alles freuen kann... Aber was mich die Grundschule wirklich gelehrt hat, war etwas anderes: Etwa, dass man vier Jahre jeden Morgen mit der Nachbarstochter (lange Hand in Hand) zur Schule und wieder zurück laufen kann – und trotzdem nichts daraus wird. Oder dass man sich diebisch über die von der Klassenlehrerin gestempelten Seiten im eigenen schnöden Mini-Block freut, weil diese ominösen Tier-Stempel nun mal Auszeichnung für gute Leistungen waren. Und irgendwann merkt man dann, dass sich mit diesen gestempelten Blöcken wirklich niemand beeindrucken lässt. Aber: Was das noch für Probleme waren!"
... Und so sieht Olaf Kupfer heute aus.
Leah Hautermans, Redakteurin: "Quadratischer Scout-Schulranzen, roter Lamy-Füller mit Namensschildchen, die bunte FlikFlak-Uhr am Handgelenk. In der Pause wurde in der einen Ecke Gummitwist gespielt, in der anderen einzelne Blätter aus Diddlmausblöcken oder Pokémonkarten getauscht. So weit, so unoriginell war meine Grundschulzeit in den 90ern. Origineller war da meine Klassenlehrerin, Frau van Hauten-Leuchter. Von strengem Unterricht nach Lehrbuch hielt sie nicht viel, mit dem zu vermittelnden Stoff wurde – wenn möglich – lieber kreativ umgegangen. Lesen und Schreiben ließ sich besonders gut mit den eigenen Lieblingsbüchern lernen, ein Verständnis für die Kunst dadurch geweckt, dass man Hundertwassers Werke einfach selbst fortführte. Und statt einer Stunde Mathe ging es da einmal lieber nach draußen: es war Schnee gefallen und wir lernten auf einer Wiese, ein Iglu zu bauen. Die Mathematik wurde mir später trotzdem umfangreich vermittelt – die Erinnerung an den Stolz, ein funktionsfähiges Schneehaus errichtet zu haben, bleibt jedoch präsenter im Kopf."
... Und so sieht Leah Hautermans heute aus.
Rolf Eckers, Redakteur: "Meine Grundschullehrerin hieß Hoff, Fräulein Hoff. Alle Frauen, die nicht verheiratet waren, hießen damals Fräulein, auch wenn sie schon 50 oder noch älter waren. Fräulein Hoff war meine erste große Liebe, was sie natürlich nie erfahren hat. Ich war sechs, sie so Anfang bis Mitte 20. Ich liebte ihre hochgesteckten, dunkelblonden Haare, ihre schicken Kostüme, die Nylonstrümpfe. Alles war so elegant, einfach schön. Wir schreiben die zweite Hälfte der 1960er Jahre. In den Köpfen der Studenten formierte sich der Widerstand gegen eine Gesellschaft, die als reaktionär empfunden wurde. In meinem Kopf war Fräulein Hoff. Mit ihr vor Augen fiel das Lernen leicht. Rechnen, Schreiben, Lesen. Grundschule war die helle Freude. Meistens jedenfalls. Leider gab es da noch Herrn Corres. Der war Direktor der Grundschule, damals waren das fast immer Männer. Das freundliche, aufmunternde Wesen von Fräulein Hoff ging Herrn Corres völlig ab. Der konnte nur streng und unnahbar. Zum Glück stand Herr Corres nur selten vor meiner Klasse. Fräulein Hoff habe ich später nie wiedergesehen."
... Und so sieht Rolf Eckers heute aus.
Fatima Krumm, Redakteurin: "Das Schwierigste, das es für mich anfangs zu lernen gab, war Geduld. Nicht alle lernen im gleichen Tempo, und Stillsitzen ist auch eine Tugend, die viel Übung verlangt. Aber ich erinnere mich mit Freude an den Lesezirkel, die Mathe-Olympiade und die vielen Arbeitsgemeinschaften zurück. Dort wurden uns lebenspraktische Dinge beigebracht, etwa Knöpfe annähen, werken, Salat machen und Sonnenblumen pflanzen. Ich habe auch gelernt, dass Hausfrau kein Beruf ist und wie Kinder gezeugt werden. Da dachte ich mir noch: Hoffentlich vergesse ich das nicht, bis ich erwachsen bin. Disziplin und Ordnung hatten in meiner Schule oberste Priorität. So habe ich mit größter Ehrfurcht als Gerätewart des Schulgartens darauf geachtet, dass jeder seine Harke und Schippe sauber zurückgibt. Der Frühhort begann um 6.30 Uhr, da haben wir Rommé, Canasta und Bridge gelernt. Schach und Scrabble standen auf dem Nachmittagsprogramm. Sicher würden diese Spiele auch im Erwachsenenalter noch Spaß machen. Vielleicht probiere ich es mal aus."
... Und so sieht Fatima Krumm heute aus.
Maximilian Lonn, WZ-Volontär: "Ich muss gestehen: Auch wenn die Grundschulzeit bei mir weit weniger zurückliegt als bei den anderen Kollegen, fällt es mir doch schwer, mich an diesen Lebensabschnitt zu erinnern. Lediglich ein paar Fetzen sind in meinem Gedächtnis zurückgeblieben. So wie der Milch- und Kakaodienst, den jeweils zwei Schüler aus jeder Klasse einmal wöchentlich zu verrichten hatten. Der Vorteil: Die Mitschüler freute der kostenlose Lieferdienst und die eigenen Armmuskeln wurden beim Kastenschleppen schon früh in Form gebracht. Allerdings gibt es da eine Episode aus meiner Grundschulzeit, die mit dazu beigetragen hat, dass ich jetzt bei einer Zeitung arbeite. In der 4. Klasse bekamen wir den Auftrag, eine Geschichte zu der Frage „Warum heißt der Mondsee Mondsee?“ zu schreiben. Und bis heute weiß ich noch, wie ich eine Kurzgeschichte über einen Fischer geschrieben habe, der nachts einen leuchtenden Stein in einem See gefunden hat und das Gewässer deswegen Mondsee taufte. Ich bekam dafür eine Eins – was in meiner Grundschullaufbahn nicht häufig vorkam."
... Und so sieht Maximilian Lonn heute aus.
Ellen Schröder, Redakteurin: "Anfang der 80er Jahre in Korschenbroich-Glehn: Dorfleben, in Colaflaschendeckeln steckten Knibbelbilder und den halben Nachmittag verbrachte man auf dem Tennisplatz. Da war die Welt noch in Ordnung. Auch in der Schule. Auf jeden Fall ruft die Grundschulzeit fast nur schöne Erinnerungen hervor. Die (Kopf-)Noten und das Betragen stimmten (später hat man der Zeit, als man noch lauter Einser auf dem Zeugnis hatte, zumindest ordentlich hinterhergeheult). Lesen, Schönschreiben, Rechnen - ging leicht von der Hand. Die von mir gemalten Bilder hingen noch Jahre später in den Fluren der Grundschule. Gut, zum Picasso hat es nicht gereicht. Aber irgendwie hat sich in diesen vier Jahren die Einstellung fürs weitere (Schul-)Leben gefestigt: irgendwas von voll-kollektiv-tauglich bis hin zu einer bewussten Lerneinstellung. Dazu haben bestimmt auch besonders nette Lehrer wie Frau Raible (Sachkunde) beigetragen. Mit ihr haben wir damals ein Herbarium angefertigt. Das hat sich offenkundig tief eingegraben: Blätter einheimischer Bäume kann ich immer noch ratzfatz zuordnen."
... Und so sieht Ellen Schröder heute aus.
Jan Wiefels, Redakteur: "Ein 1000-Einwohner-Dorf im südlichen Sauerland, eine Klasse mit 18 Schülern in einer katholischen Grundschule. Das klingt idyllisch und war es tatsächlich überwiegend auch. Wenn ich an meine Grundschulzeit denke, erinnere ich mich neben dem Farbgeruch des Matritzendruckers und den klebrigen Fingern von der Kakaoflasche vor allem auch an Lehrer, die sich Zeit für ihre Schüler genommen haben und das aufgrund der vergleichsweise luxuriösen Umstände auch konnten. Mit dem Abstand von knapp 30 Jahren denke ich häufiger, was es für ein Glück war, damals in solch einem behüteten Umfeld zur Schule gegangen zu sein. Markenklamotten und sozialer Druck waren erst später auf dem Gymnasium ein Thema - das mit rund 500 Schülern immer noch recht klein war. Woran ich mich noch erinnere: Dass vor dem Unterrichtsbeginn gemeinsam gebetet wurde – und dass man im Advent mit allen Klassen zusammen Lieder gesungen hat. Und alle zwei Wochen gab es Unterricht am Samstagvormittag – aber das wünsche ich wirklich niemandem."
... Und so sieht Jan Wiefels heute aus.