In 15 Sekunden war alles vorbei
Hunderte von Menschen haben gestern die Sprengung des 200 Meter hohen Sendemastes in Witzhelden live miterlebt.
Witzhelden.Nur 15 Sekunden hat es gestern gedauert, bis der Witzheldener Sendeturm Geschichte war — etwas länger als die angekündigten fünf Sekunden des Sprengmeisters hielt sich damit der 200 Meter hohe Stahlmast in der Luft. Exakt um 13.31 Uhr war das Signal für die Sprengung ertönt, wenige Sekunden später detonierten etliche Sprengladungen, die lediglich an den Padunen (Abspannseilen) des Mastes angebracht waren — für hunderte von Schaulustigen kaum sichtbar.
Nachdem er von den Seilen gelöst war, verließen den „Äu“, wie der Turm von vielen Witzheldenern genannt wird, die Kräfte. Er bog sich in östlicher Richtung, brach erst im unteren und dann auch im oberen Drittel und krachte auf den angrenzenden Acker. Offensichtlich wie von dem Sprengmeister geplant, der schon wenige Sekunden später Entwarnung geben konnte. Und wenig später rückten auch die ersten Souvenirjäger an und schleppten teils riesige Metallteile mit nach Hause als Erinnerung.
Sogar die Kinder einer Kita hatten eine Stunde auf einem Acker an der Leichlinger Straße ausgeharrt. Wenige Minuten vor dem Spektakel, als die Sonne von einer dicken Wolkenwand verdeckt wurde, zogen sie heimwärts. Für manche Zuschauer müssen die Wolken wohl symbolisch gewirkt haben. Sehr emotional betrachteten auch viele junge Menschen die Sprengung von der Straße am Schneeberg aus. „Das ist einfach ein Stück Heimat“, sagt Alicia Christ. „Ich lebe hier seit 22 Jahren, das gehört dazu“, sagt die Witzheldenerin. „Immer, wenn man aus dem Urlaub kommt und unser Wahrzeichen sieht, weiß man, dass wir zu Hause sind.“ Ebenfalls große Emotionen verbindet Andreas Schröder mit dem Sendemast. Seine Ex-Freundin wohnt in Witzhelden, sagt der Solinger. Der Mast sei eben eine Erinnerung an diese Zeit. Wenig respektvoll geht Christiane Jäke mit derartigen Erinnerungen um, als sie als Zuschauerin erscheint. „Endlich kommt das hässliche Ding weg“, sagt sie laut und hört lautes Murren. „Na ja, lenkt sie ein, hässlich ist er nicht, aber schön auch nicht . . .“
Sachlich bleibt Manfred Daniels aus Solingen. „Ich bin als kleiner Junge mit meinem Bruder mit dem Fahrrad hier hingefahren, als der Turm aufgestellt wurde. Deshalb bin ich natürlich hier. Früher waren da noch Parabolspiegel angebracht — aber jetzt ist ja alles digital.“ Und dann erklärt Daniels genau, wie der Turm gesprengt wird. Den Ungeschulten macht er auf die kaum sichtbaren Sprengladungen an den Seilen aufmerksam. Woher er das Wissen hat? „Ich wurde früher Dynamit-Manni genannt.“
Auch Matthias S. aus Burscheid harrt stundenlang mit seiner Videokamera aus, um das Spektakel festzuhalten. „Ich habe davon gar nichts gewusst, erst kürzlich davon in der Zeitung gelesen. Ich hänge nicht wirklich an dem Ding. Aber als Jugendliche waren wir öfter hier und haben unter dem Turm ein Bier getrunken.“ So ganz ohne Emotionen ist auch er offenbar nicht. Bildergalerie und Video:
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