(clhö) Der ukrainische Schriftsteller Jurij Andruchowytsch ist in diesem Sommer ein häufiger Gast in Düsseldorf. Beim Asphalt-Festival hielt er eine viel beachtete Rede, sein Roman „Moscoviada“ wurde in der Bearbeitung eines Prager Theaterkollektivs im Schauspielhaus gezeigt: eine Schauerposse, die in totaler Zerstörung endete. Nun kam er in die Zentralbibliothek, um seinen Essayband „Der Preis unserer Freiheit“ vorzustellen. Unter dem Eindruck des aktuellen Krieges erscheinen Andruchowytschs Reden, Artikel und Vorträge der Jahre 2014 bis 2023 geradezu prophetisch. Nicht anders verhält es sich mit dem vor 30 Jahren erschienenen Roman „Moscoviada“. Immer wieder werde er auf die Aktualität jener Geschichte angesprochen, erzählte der Autor im Kap 1, obwohl sie doch eigentlich unter dem Eindruck lange zurück liegender Studienerlebnisse in der russischen Hauptstadt entstanden sei. Damals wie immer wieder bis heute hätte man wohl auf Jurij Andruchowytsch hören sollen. Stetig, eindringlich, fast flehentlich warnte er in seinem Essayband den Westen vor dem aggressiv-imperialistischen Charakter von Putins Russland. Schon vor der Invasion der Ukraine im Februar 2022 hatte der Kreml die Krim annektiert und den Krieg im Donbass entfesselt. Europa aber setzte auf Appeasement. Eine Fehlreaktion, heißt es bei dem politischen Schriftsteller, denn es sei unmöglich, Russland nicht zu erzürnen: „Es besteht ganz aus Eifersucht, Bluffs und Xenophobie. Wut, Beleidigtsein und Neid sind sein Dauerzustand.“ Auf die Krimannexion antwortete der Westen mit halbherzigen Sanktionen und Deutschland mit dem aus Andruchowytschs Sicht fatalen Bau der Nord-Stream-2-Pipeline. Fragen nach der Zerstörung dieser Gasleitung beherrschten auch einen Teil des Publikumsgesprächs mit dem Autor. Vor allem aber wollte man wissen, was der Westen tun könne, um den russischen Krieg zu stoppen. Auch hierzu findet sich eine deutliche Antwort im Buch: „Der einzige Weg zur Heilung führt über eine totale Niederlage, eine totale Katastrophe von allem, was russische Staatlichkeit heißt.“ In diesem Zusammenhang kritisierte der anwesende OB Stephan Keller die Ankündigung der Ampel-Regierung, für den Bundeshaushalt bei den Ukraine-Hilfen Streichungen vorzunehmen. Dies sei ein fatales Signal nachlassender Solidarität. Man merkte es dem Autor an, dass er sein Land nicht nur als Kriegsgebiet betrachtet sehen wollte. Er hoffe, so sagte er in der Zentralbibliothek, dass die Deutschen irgendwann die Schönheit der Karpaten entdecken könnten: „Diese Gebirgskette ist für mich absolut stimulierend. Natürlich gibt es dort Werwölfe und Dämonen. Aber es sind nicht ganz so viele, wie man uns glauben machen will.“
Essays von Jurij Andruchowytsch Der Preis unserer Freiheit
Düsseldorf · Jurij Andruchowytsch beschrieb Jahre vor dem Überfall auf die Ukraine Russlands imperialistischen Charakter. Nun stellt er sein neues Buch vor.
21.08.2024
, 06:00 Uhr