Man sollte diese Platte nicht hören, ohne sich zuvor schlaugemacht zu haben. Sonst passiert nämlich dieses: Ein sehr bekanntes Stück beginnt, der Düsseldorfer Pianist Tobias Koch spielt die einleitenden Akkorde von „Fremd bin ich eingezogen“, dann kommt der im hessischen Butzbach lebende Tenor Markus Schäfer und singt seine Strophen – und irgendwann kommen sehr schöne Töne, die aber nicht in der Partitur stehen. Der Hörer denkt: Hoppla! Das hat der Schubert Franz nicht so gewollt. Hat er möglicherweise doch. Schäfer und Koch setzen nämlich das um, was in der Aufführungspraxis zu allen Zeiten Usus war – dass nämlich der Komponist von seinen Interpreten nicht sklavisch verlangte, dass sie sich an den Notentext hielten. Bei Bach war es (etwa in den Da-capo-Arien seiner Kantaten) üblich, dass die Künstler aus dem Stegreif improvisierten oder mit Vorsatz und sehr geplant ein paar neue und abwechslungsreiche Noten reinstickten. Das ist hier, bei der „Winterreise“, besonders schwierig, denn diese 24 Lieder seien „durch die Interpretationen der namhaftesten Künstler ja nicht allein populär, sondern geradezu unantastbar geworden“, sagt Schäfer.
„Die Winterreise“ mit vielen neuen Noten Einige Noten mutwillig verändert
Der Düsseldorfer Pianist Tobias Koch hat mit dem Tenor Markus Schäfer Schuberts „Winterreise“ aufgenommen – und viele Noten mutwillig verändert.
02.08.2021
, 06:00 Uhr