Amtsgericht: 20-mal hintereinander die Polizeileitstelle angerufen
Ein 62-Jähriger ist wegen Missbrauchs einer Notrufnummer und Diebstahl einer Leuchtreklame angeklagt worden.
Krefeld. Mit einen dunkelgrünen T-Shirt, auf dem breit "Polizei" steht, setzt sich Walter S. (Name geändert) auf die Anklagebank. Der 62-Jährige ist angeklagt wegen Notrufmissbrauchs. Obendrein soll er noch eine Leuchtreklame von einem Abrisshaus an der Kölner Straße geklaut haben. Gegen die beiden Strafbefehle in einer Gesamthöhe von 3000 Euro legte S. Einspruch ein. Die anderthalbstündige Verhandlung glich einer Posse.
Schon die Feststellung der persönlichen Daten läuft nicht ohne "Witz" ab. "Sind sie berufstätig", fragt der Richter routinemäßig. "Heroin, Kokain, Viagra verkaufe ich, wenn das nicht klappt - Sozialamt", antwortet der Angeklagte keck. Etwas ernster geht es weiter. Er halte sich für unschuldig. Als der arg schwerhörige Angeklagte den gesamten Sachverhalt schildern soll, meint er nur zum Richter: "Warum soll ich das alles nochmal erzählen, nehmen sie die Zeugen auseinander."
Walter S. ist schwer krank. Wegen seiner Alkoholprobleme lebt er derzeit in der Psychiatrie. Weil viele Menschen in Krefeld seine Geschichte kennen, wird er wohl mit etwas Nachsicht behandelt. Immer wieder nervt er Behörden und Personen mit aufdringlichen Anrufen - auch den Richter. "Ich telefoniere mit dem Vorsitzenden manchmal in leicht alkoholisiertem Zustand."
Am 22. Oktober 2006 überspannte Walter S. jedoch den Bogen. Binnen weniger Minuten rief er unter Alkoholeinfluss die Notruf-Nummer 110 und via Amtsleitung die Polizei über 20-mal an. Er wollte einen einsturzgefährdeten Balkon melden. Parallel mussten sich die Beamten mit zwei Raubüberfällen beschäftigen. "Es handelt sich nicht um ein singuläres Ereignis", so der Polizeibeamte aus der Notrufzentrale. Er kenne Walter S. seit zehn Jahren. "Herr S. sucht die Nähe zu Polizeibeamten." Öfters rufe er bei der Polizei an.
Da der 62-Jährige trotz mehrfacher Ermahnung an jenem Oktoberabend nicht aufhörte, die 110-Nummer zu wählen, ließ der Beamte Walter S. festnehmen. "Zum ersten Mal", betont der Polizist. Und in der Verhandlung direkt zum Angeklagten: "Sie sind in der Lage, die Funktionalität der Krefelder Polizei erheblich einzuschränken." Walter S. beruft sich vor Gericht auf Zusagen anderer Polizisten, er solle ruhig die Rufnummer 110 wählen, auch wenn keine akute Gefahr bestehe.
Recht wirr verlaufen auch die Aussagen zum Diebstahl einer Leuchtreklame vom 9. November 2006. Dafür muss ein Krefelder Ratsherr auf dem Zeugenstuhl Platz nehmen. "Wir waren mal Freunde", meint Walter S. Angeblich soll der "ehrenwerte Ratsherr" ihm die Demontage des Werbeschildes an einem Abrisshaus an der Kölner Straße erlaubt haben. Eigentümer des Hauses ist dessen Sohn.
Der sagt aus, dass sein Vater die Sache mit Walter S. "ausgemacht" haben soll. Doch der Vater kann sich im Zeugenstand an nichts mehr erinnern. Er verneint ausdrücklich ein Telefonat, in dem er Walter S. die Demontage erlaubte. Ein anderer Zeuge bestätigt indes ein solches Gespräch. Er will es mitgehört haben. Um diesen Sachverhalt aufzuklären, muss nun ein weiterer Zeuge gehört werden.
Die Verhandlung wird am 4. Oktober fortgesetzt.