Interview OB Frank Meyer im Sommerinterview (mit Video)
Kesselhaus, Stadtbad und Kinderarmut - OB Frank Meyer stellt sich den Fragen der Presse und der WZ-Facebook-User zu brisanten Themen.
Krefeld. Frank Meyer wirkt aufgeräumt. Nicht mehr ganz im Urlaubsmodus, aber immer noch mit Dreitagebart. Der ungewöhnliche Treffpunkt im noch maroden Stadthaus hat manchen Kollegen verwirrt. „Ich lese Ihre Presseberichte aufmerksamer als Sie unsere Einladungen“, frotzelt Meyer. Auf der steht übrigens Sommer-Interview, was so ein bisschen nach seichten Themen klingt, die es in Krefeld derzeit kaum gibt.
Der Streit um den Theaterplatz und das Kesselhaus, Befangenheitsvorwürfe, die komplette Strukturreform bei Stadtverwaltung, Kinderarmut. Die WZ hat das gesamte Interview live auf Facebook übertragen und freut sich über 80 Zuschauer in der Spitze und jede Menge Zusatzfragen. Meyer wehrt sich gegen die Wagener-Vorwürfe, rügt hinderliche Verzögerungsdebatten in Bezirksvertretungen und macht klar, wer in Krefeld der Wirtschaftskoordinator ist. Er heißt Frank Meyer.
Herr Meyer, die FDP und Investor Gerald Wagener erklären Ihren Planungschef für befangen, weil er in der Jury für das Kesselhaus-Projekt saß. Ist er das?
Frank Meyer: Die Stadtverwaltung und Herr Linne sind in der Sache absolut neutral. Geprüft werden derzeit auch noch die Sanierung des Seidenweberhauses oder ein Veranstaltungsstandort am Bahnhof. Es ist zudem nicht unüblich, dass eine Verwaltung mit ihrer Fachlichkeit in solche Projekte eingebunden wird.
Aber Befangenheit ist jetzt schon ein harter Vorwurf.
Meyer: Wer sowas behauptet, will Nebelkerzen werfen und von der Sachdiskussion ablenken. Wagener ist privatwirtschaftlich aktiv und wurde von der Stadt weder beauftragt noch dazu aufgefordert. Und er will sich offenbar keinem Wettbewerb stellen, das finde ich persönlich schwierig. Aber: Sein Entwurf ist interessant. Wie die Leendertz-Pläne mit ihrem Industrie-Ambiente, vielleicht gibt es künftig noch andere Projektentwickler.
Wagener hat angedeutet, wegen Linnes Jury-Aktivitäten das ganze Verfahren aushebeln zu können.
Meyer: Das beeindruckt mich nicht. Es gibt gar keinen Verwaltungsprozess, also gibt es auch nichts zu stoppen. Wichtig ist, dass die Politik möglichst bald entscheiden kann, was sie überhaupt möchte. Als Grundlage dafür erstellen wir derzeit eine Vorlage mit allen relevanten Zahlen, die im November fertig sein soll.
Sanierung des Seidenweberhauses oder neues Projekt, was wollen Sie persönlich eigentlich?
Meyer: Solange nicht alle Zahlen vorliegen, kann ich keine Aussage treffen.
Aber Sie gehen auch davon aus, dass eine wie auch immer gestaltete Location von der Seidenweber GmbH betrieben wird?
Meyer: Stand jetzt spricht einiges dafür, dass es die städtische Tochter macht. Dort sitzt die Kompetenz.
Sie haben versprochen, in Krefeld kein Kind zurückzulassen. Wie weit sind die Projektgruppen?
Meyer: Wir haben trotz großen Engagements im Jugendamt, in den Kirchen oder bei Trägern wie dem Kinderschutzbund eine verheerende Kinderarmut in Krefeld. Zudem haben wir in Krefeld starke zivilgesellschaftliche Kräfte. Es gilt, diese Kräfte zu bündeln und noch besser nutzbar zu machbar. Darum denken wir derzeit zum Beispiel über ein Modell ähnlich dem des Flüchtlingskoordinators nach.
Flüchtlingskoordinator, Kinderkoordinator, kommt dann bald der zuletzt von der Jungen Union vorgeschlagene Wirtschaftskoordinator?
Meyer: Diese Idee wäre ja nicht neu. Aber in der Wirtschaft gibt es nur wenig Ehrenamt zu bündeln. Ich bin sehr viel unterwegs, spreche mit Unternehmern, sitze in relevanten Gremien unserer Töchter. Ich bin Krefelds erster Wirtschaftskoordinator, auch wenn Eckart Preen das (Wirtschaftsförderer, d. Red.) das jetzt nicht gern hört.
Zurück zu Kindern. Das Portal Kita online ist nicht gut gelaufen, oder?
Meyer: Wir hätten weniger Probleme, wenn wir mehr Kita-Plätze in Krefeld hätten. Wir werden vom gesellschaftlichen Trend überrollt. Kalkuliert wurde mit 35 Prozent an Plätzen für Unterdreijährige, in Hüls etwa liegt der Bedarf bei 40. Unser Ehrgeiz ist, schnell mehr Kita-Plätze zu schaffen. Dann kann ich aber nur appellieren: Lasst es uns auch tun?
An wen appellieren Sie?
Meyer: Wir planen allein derzeit drei neue Kitas. Wenn ich mir manche Debatte in der Bezirksvertretung anhöre, dann kommt es mir so vor, als planten wir Stuttgart 21 und nicht eine Kita. Da wird wochenlang über die Gestaltung der Fassaden eines Anbaus gestritten, da darf eine Kita nicht so groß ausfallen, weil es sonst weniger Parkplätze gibt. Leute, der Rohstoff für die Zukunft ist in den Köpfen unserer Kinder. Zur Zukunft gehört auch Kinderlärm, was an sich schon ein Unwort ist.
Ein Bürokratie-Unwort ist AöR, dahinter steckt ganz praktisch die Privatisierung von Teilbereichen der Verwaltung. Zuletzt gab es Streit mit der CDU, die sich nicht ausreichend informiert sah. Wie weit sind die Planungen, wie ist die Stimmung?
Meyer: Wir sind voll im Plan, die Unstimmigkeiten sind ausgeräumt. Die Stimmung in der Belegschaft ist natürlich gemischt, es gibt Sorgen und viele Fragen, das ist völlig normal bei Veränderungen diesen Ausmaßes. In welcher Einheit arbeite ich künftig, wo ist mein Büro, wer ist mein Chef, welche Karrieremöglichkeiten habe ich? Wir sind bemüht, alle Fragen immer zeitnah zu klären, wenn das möglich ist.
Wie viel lernen Sie bei der Modernisierung der Verwaltung von Venlo?
Meyer: Wir lernen voneinander, glaube ich. Die Kollegen sind in einigen Dingen schon sehr weit. Das neue Rathaus etwa ist voll recycelbar, das Konzept Open Space umgesetzt.
Das Arbeiten ohne feste Arbeitsplätze?
Meyer: Genau. Aber das setzt unser Stadtmarketing in der Alten Samtweberei auch bereits um. Einen gemeinsamen Rats-ausschuss gibt es ja bereits, bald beginnen wir mit dem Austausch von Mitarbeitern auf Zeit, die beiden Bürgermeister fangen an. Dafür bieten wir Niederländischkurse an, die Resonanz ist enorm.
Noch eine Frage zu einem Sorgenkind: Was passiert nun mit dem Stadtbad?
Meyer: Nun, das ist schon eine Schande. Es wird jetzt ein Planungs- und Nutzungskonzept erstellt, indem auch alternative Entwicklungsmöglichkeiten zu den bislang gescheiterten Privatinitiativen ermittelt werden sollen.