Lukrative Verträge für ein langes Zug-Leben
Bei der Bestellung für die Strecke von Bedford nach Brighton geht es um Bau und Instandhaltung. 2014 beginnt die Fertigung.
Krefeld. Jetzt ist es amtlich: Der Siemens-Konzern und somit auch das Werk in Uerdingen haben sich endgültig den in Großbritannien umkämpften Großauftrag für Regionalzüge gesichert. Dafür werden in Uerdingen ab 2014 insgesamt 1140 Waggons auf der Basis des neuentwickelten Triebzuges Desiro City gebaut.
Der Auftragswert für die acht- und zwölfteiligen Züge liegt bei 1,8 Milliarden Euro, hinzu kommen die Verträge über die langfristige Instandhaltung und zwei neue Servicedepots. Die neuen Züge dienen der Modernisierung der sogenannten Thameslink-Strecke von Bedford über London nach Brighton.
Gemeldet hat dies jüngst das britische Verkehrsministerium. Siemens bestätigte, dass die Verträge unterschrieben sind. Dies ist — inklusive der Wartungsverträge — der größte Auftrag, den Siemens jemals in Großbritannien erhalten hat.
Das Zusammenkommen von Zug- und Wartungsverträgen ist beim Konzern fast schon Standard — gerade in Großbritannien (United Kingdom, UK). Seit 1996 ist die heutige Siemens-Sparte Rail Systems auf dem wichtigen britischen Markt und hat dort 700 Mitarbeiter. 390 Regionaltriebzüge vom Typ Desiro UK fahren für sieben der dort privaten Bahnbetreiber.
Als einziger Hersteller konnte der deutsche Traditionskonzern nach eigener Aussage in Großbritannien für jeden seit 2003 ausgelieferten Zug einen Instandhaltungsvertrag abschließen. Das Münchner Unternehmen unterhält mittlerweile sechs Depots alleine, vier weitere gemeinsam mit den Betreibern.
Das Credo, das hinter der zunehmenden Zahl der Wartungsverträge mit unterschiedlich langer Laufzeiten steht, lautet bei Siemens: „Wir haben die Züge entwickelt, wir haben sie gebaut. Wer kann sie besser warten als wir, die wir diese Züge genauestens kennen?“ Eine der Antworten: Die Zuverlässigkeitsquote liege zwischen 95 und 99 Prozent.
Wie wird in einem solchen Depot gearbeitet? Was sind die grundlegenden Kriterien des Service-Geschäftes von Siemens in Großbritannien? Antworten auf diese Fragen gaben jüngst Johannes Emmelheinz, Leiter des Service-Geschäftes für die Bahntechnik von Siemens, und Steve White, der Leiter des Depots mit rund 400 Mitarbeitern.
Alle Depots sind im Prinzip gleich aufgebaut. Ähnlich dem Boxenstopp im Automobilsport können in den zuglangen Untersuchungsgruben Komponenten und Funktionseinheiten ausgetauscht und im Bedarfsfall separat repariert werden. Im Durchschnitt ist diese Arbeitsorganisation rund 50 Prozent schneller als die herkömmliche Instandhaltung. An bestimmten Untersuchungsgruben kann gleichzeitig unter dem Zug, an oder im Zug und oben am Dach gearbeitet werden. Mit stationären Radsatz-Drehmaschinen werden Räder abgedreht, ohne dass die Radsätze aus den Drehgestellen genommen werden müssen.
Nach maximal sechs Stunden ist ein Zug gewartet, gereinigt und bereitgestellt. Ist es ein Dieselzug, wird er natürlich auch betankt. Die Abläufe sind festgelegt und werden jeden Morgen neu besprochen.
Dabei wird auch festgehalten, welche Züge vom Turnus her für die Wartung feststehen. Schon bevor ein solcher Zug das Depot erreicht, erstellen die Siemens-Techniker bereits die entsprechenden Arbeitsaufträge. Ersatzteile werden vorab bereitgelegt und das Personal eingeplant. Das und die Teamarbeit sorgen für optimale Abläufe im Depot. Und: Wird bei einem Fahrzeug ein Mangel festgestellt, der auch andere Züge der Baureihe betreffen könnte, wird das vermerkt, die anderen Züge werden bei ihrer turnusmäßigen Wartung daraufhin überprüft. Die weiteren Depots bekommen diese Information ebenfalls und können dementsprechend handeln.
Vorausschauende Instandhaltung ist das Stichwort für ein Zentrum von Siemens in Großbritannien, in dem der Konzern neue Konzepte und Technologien für das Wartungsgeschäft entwickelt.
So sind Servicetechniker bereits heute in der Lage, Bahnsysteme sowie deren Leistungen kontinuierlich während des Betriebes zu überwachen, also auch außerhalb der regulären Instandhaltungstermine im Depot. Falls die Messdaten aus der Ferndiagnose auffällig sind, können die Techniker sofort eingreifen.