Besonderer Besuch Pferde helfen beim Heimischwerden

Erkrath/Unterbach · Die Diakonie-Tochter Renatec und der Verein Seniorpferde aktiv mit Kindern hatten auf Gut Rodeberg eingeladen.

Chahinda und Israa hatten bereits im Libanon regelmäßig Pferdekontakt und genossen die Zeit auf Gut Rodeberg (hier mit Pony Empire) sichtlich. Die Tiere dienen somit als Integrationshelfer.

Foto: Nicole Marschall

„This is now my family. (Das ist jetzt meine Familie.)“, mit diesen Worten ging Omid (27) auf das ehemalige Arbeitspony Monty aus Portugal zu – und hätte es am liebsten gar nicht mehr aus den Augen gelassen. Der an Arthrose erkrankte Monty ist ein Jahr älter als Omid und grast meist etwas abseits von der restlichen Herde. Ähnlich wie das Pony ist auch der junge Mann eher ein Einzelgänger.

Omid ist zu Fuß und aus dem Iran bis nach Deutschland gelaufen. Vieles hat er auf diesem Weg gesehen und erlebt, das dür ihn schwer zu verarbeiten ist. Noch auf dem Weg nach Gut Rodeberg war er verschlossen. Das änderte sich auf dem Unterbacher Ponyhof aber schlagartig.

„Es ist toll zu sehen, wie die jungen Leute im Kontakt mit den Tieren auf einmal aufblühen“, sagt Melanie Czerwinski, Sozial-Coach und Projektentwicklerin bei Renatec, berührt und dankbar, dass sie gemeinsam mit dem Verein Seniorpferde aktiv mit Kindern zehn jungen Menschen mit Fluchtgeschichte diese Erfahrung ermöglichen konnte. Dank einer Förderung der Deutschen Postcode-Lotterie kann der Verein dieses Jahr soziale Projekte für Menschen mit Flucht- und Migrationserfahrung durchführen.

Neben der Schule machen
die jungen Leute Ausflüge

Die jungen Frauen und Männer, mit denen sie Gut Rodeberg besuchte, stammen aus Afghanistan, Ghana, Guinea, Syrien, dem Libanon, Iran und Irak und machen im Rahmen des Projekts „Chance 18+“ beim Düsseldorfer Bildungsträger Renatec ihren Hauptschulabschluss nach Klasse 9. Auch gemeinsame Ausflüge stehen auf dem Stundenplan. Dafür hatte sich die Gruppe bewusst eine Exkursion mit Tieren und ganz speziell mit Pferden gewünscht.

Israa (21) und Chahinda (19) beispielsweise vermissen den Reiterhof ihres Bruders im Libanon und Faisal (19) ist in Afghanistan gelegentlich Pferderennen geritten. Für Dalal (23) und die meisten anderen war der Kontakt zu den Pferden eine neue Erfahrung. Beim Putzen und Führen von Haflinger Piet gewann sie nach und nach Vertrauen und Spaß an der Sache.

„Auf der Rückfahrt waren alle total happy“, fasst Melanie Czerwinski zusammen: „Ausflüge und gemeinsame Aktionen wie Kochen oder Werken sind wichtig, um das Gemeinschaftsgefühl zu stärken, Fluchterfahrung und Familiengeschichten zu thematisieren und um außerhalb des Unterrichts zu sehen, welche Neigungen und Begabungen die Teilnehmenden haben.“

Ehrenamtliche Arbeit mit
den Tieren sorgt für Interesse

Emmanuel (23) aus Ghana hat in seiner Heimat in der Bauplanung gearbeitet und will in Deutschland wieder in seinen Beruf. Faisal möchte nach dem Hauptabschluss noch einen höheren Schulabschluss machen, um in die Fußstapfen seiner Eltern zu treten, die beide Ärzte sind. Omid würde gerne Erzieher werden und in einem Kindergarten arbeiten. Da ihm die Arbeit mit Kindern und Tieren Spaß macht, kann er sich gut vorstellen, dem Verein „Seniorpferde aktiv mit Kindern“ künftig ehrenamtlich bei Aktionen zu helfen. Ganz uneigennützig ist das nicht, denn als Ehrenamtler kann er seinem neuen Kumpel Monty öfter nah sein.

Die alten Pferde von Gut Rodeberg haben bereits Erfahrung als Integrationshelfer. Erst kürzlich war der Erkrather Freundeskreis für Flüchtlinge mit sieben Kinder und Betreuern nach einer zweistündigen Wanderung von Hochdahl auf dem Hof in Unterbach eingekehrt. Dort angekommen, stärkten sich die jungen Wanderer erst einmal mit einem Picknick, bevor es zum ersten Kennenlernen zu den Pferdekoppeln und in den Stall ging.

Auch nach diesem Besuch war die Begeisterung weiterhin groß – ebenso wie auch das Bedauern darüber, dass der Verein „Seniorpferde aktiv mit Kindern“ Gut Rodeberg schon bald verlassen muss (siehe Infokasten).