Anklage sprach von Vergewaltigung Nur milde Strafen, weil sich das Opfer plötzlich nicht mehr erinnern kann
HILDEN/WUPPERTAL · Richter lassen die Vorwürfe der Geiselnahme und Vergewaltigung fallen.
(magu) Kurz nach der Tat im März 2020 hatte das Opfer noch von Freiheitsberaubung gesprochen und auch davon, mit einem Stock vergewaltigt worden zu sein. Im Prozess gegen die Täter aus Hilden, Erkrath und Langenfeld beteuerte der Erkrather nun im Zeugenstand, sich daran nicht mehr erinnern zu können. Dem Gericht blieb am Ende der Beweisaufnahme nur, die Tatvorwürfe der Geiselnahme und Vergewaltigung fallenzulassen und die Angeklagten wegen Körperverletzung zu verurteilen.
Zuvor auf der Anklagebank: Eine 43-Jährige aus Langenfeld, die das Opfer auf dem Rücksitz eines Autos geschlagen haben soll. Das Verfahren gegen die Frau wurde gegen die Zahlung einer Geldbuße an die Opferfamilie eingestellt. Ein 20-Jähriger aus Hilden wurde wegen Körperverletzung und räuberischer Erpressung zu 50 Stunden gemeinnütziger Arbeit verurteilt. Ein ebenfalls 20-Jähriger aus Erkrath bekam ein Jahr und sechs Monate auf Bewährung, so wie auch ein weiterer Erkrather (38). Der fünfte Angeklagte (48) wurde zu elf Monaten Haft verurteilt, die ebenfalls zur Bewährung ausgesetzt wurden.
Mit derart milden Strafen hatte man nicht rechnen können angesichts der schweren Tatvorwürfe, die den Angeklagten zum Prozessbeginn gemacht worden waren. Gemeinschaftlich sollen sie ihr Opfer an mehrere Örtlichkeiten verschleppt und dort körperlich traktiert haben.
Einem Akt der Selbstjustiz gleichkommend, sollen sie dem Mann zuvor unterstellt haben, dass er die Tochter eines der Angeklagten zur Prostitution gezwungen habe. Einer der Täter soll den vermeintlichen Zuhälter vom Fußball gekannt haben – während eines Treffens sollen er und ein weiterer Angeklagter dem Mann mit der Faust ins Gesicht geschlagen haben. Gemeinsam soll man das Opfer später an eine andere Adresse gebracht haben, wo man auf den Vater der vermeintlich zur Prostitution gezwungenen Frau getroffen sein soll. Der soll den Erkrather mit dem Tode bedroht und die anderen aufgefordert haben, diesen erneut zu schlagen.
Einer der Familienangehörigen soll den Mann daraufhin mit einem Stock vergewaltigt haben. Danach sollen die Angeklagten ihr Opfer auf eine gesperrte Brücke gebracht haben, damit niemand dessen Schreie habe hören können. Dort sollen sie ihm damit gedroht haben, ihn herunterzuwerfen. Derweil soll einer der Angeklagten mit einem Stock zugeschlagen und den Mann damit am Hinterkopf verletzt haben. Wenige Tage danach soll er zur Zahlung von 1000 Euro aufgefordert worden sein, um einen erneuten Übergriff abzuwenden.
Bei der Polizei hatte das Opfer den Ablauf noch genau so geschildert, wie er später auch in der Anklageschrift aufgenommen wurde. Im Zeugenstand hatte der Mann dann anderes behauptet: Er sei nicht vergewaltigt worden, und er habe jederzeit die Flucht ergreifen können. Das habe er nur deshalb nicht getan, weil er gefürchtet habe, dass es dann für ihn noch schlimmer kommen würde. Andere Zeugen gab es nicht, am Ende blieb es „nur“ bei dem Vorwurf der Körperverletzung. Ob es Ermittlungen geben wird gegen das Opfer wegen des von den Angeklagten erhobenen Vorwurfs der Zwangsprostitution, muss nun die Staatsanwaltschaft entscheiden.