Wülfrath Geschenkte Zeit für einsame Menschen

Wülfrath · Karten spielen oder Fotoalben durchblättern – dafür sind in Wülfrath die Zeitschenker da.

Der Wülfrather Pfarrer Ingolf Kriegsmann hat den Ehrenamtskreis mit ins Leben gerufen

Foto: Ulrich bangert/Ulrich Bangert

Vor rund 15 Jahren gründete sich der Ehrenamtskreis „Zeit schenken“ in Wülfrath. Die evangelische und katholische Kirchengemeinde in Kooperation mit dem Sozialen Dienst der Stadt und dem Wülfrather Freiwilligen Forum wollten einen Pool an ehrenamtlichen Menschen zusammenbringen, die einsamen Personen einen Teil ihrer Freizeit zur Verfügung stellen.

„Und das Konzept geht seit Jahren sehr gut auf“, freut sich Pfarrer Ingolf Kriegsmann, der Gründer und Unterstützer der ersten Stunde ist. Alle zwei Monate treffen sich die Zeitschenker, um sich intern mit Gesprächen und Vortragsangeboten fortzubilden. „Mal haben wir bei uns einen Facharzt zu Gast, der beispielsweise über das Thema Demenz referiert, mal tauschen wir uns nur untereinander aus“, so der evangelische Pfarrer, der darauf hinweist, dass es um seelsorgerische Unterstützung geht. „Die Menschen sollen nicht gepflegt werden, sondern gemeinsam mit den Ehrenamtlern Zeit verbringen. Viele können schon gar nicht mehr alleine vor die Tür, ihnen hilft manchmal schon, wenn jemand da ist und zuhört.“

Es soll nicht zur ungeliebten Verpflichtung werden

Einmal in der Woche für rund zwei Stunden verbringen die Zeitschenker Zeit bei ihren alleinstehenden Menschen. Mal werden die Karten rausgeholt, mal alte Fotoalben durchgeblättert. Für Ingolf Kriegsmann ist dieser Rhythmus genau richtig. „Denn es soll nicht unangenehm für die Ehrenamtler werden. Es soll nicht in eine ungeliebte Verpflichtung übergehen. Das wäre zu schade“, ist sich der Seelsorger sicher.

Gut 30 Aktive lassen sich in dem Ehrenamtskreis finden. Doch gerne dürfen es mehr werden. „In der Gemeinde erfahren wir immer wieder von alleinstehenden Personen, die sich Unterhaltung dieser Form wünschen. Auch bekommen wir manchmal von Sozialen Diensten der umliegenden Krankenhäuser die Information, dass wir mal bei einer Person vorstellig werden sollen. Diese Netzwerk­arbeit funktioniert sehr gut“, berichtet Kriegsmann, der aber noch Luft nach oben sieht. „Wir nehmen immer wieder gerne neue ehrenamtlich engagierte Personen in unseren Kreis auf. Schließlich muss auch die Chemie zwischen Schenker und Beschenkten passen. Je mehr Personen wir in unserem Pool haben, desto besser.“

Besuche fanden auch in der Corona-Zeit weiter statt

Stolz ist der evangelische Pfarrer besonders auf die vergangenen eineinhalb Jahre. In der Corona-Zeit lagen zwar die Austauschtreffen brach, die Besuche bei den alleinstehenden Personen wurden aber größtenteils weiterverfolgt. „Wir haben alle darauf geachtet, dass wir vor einem Besuch getestet sind und haben oft die Zeit mit Maske und Abstand verbracht. Aber wir waren vor Ort. Das war in dieser schweren Zeit ganz besonders wichtig für die Menschen.“

Eine erhöhte Nachfrage in dieser Pandemie-Zeit konnte Kriegsmann aber nicht verzeichnen. „Eigentlich ist der Bedarf gleich geblieben“, ist er sich sicher. Was wiederum beweist, dass Einsamkeit kein Alleinstellungsmerkmal der Corona-Pandemie ist, sondern auch außerhalb der Virusblase bei vielen Menschen zum traurigen Alltag gehört.

Interessiere, die sich gerne als Zeitschenker engagieren möchten, können sich telefonisch an Pfarrer Ingolf Kriegsmann wenden (02058/925 633). Ebenso ist der Kontakt über Susann Seidel vom Sozialen Dienst der Stadt Wülfrath (02058/18 378) möglich. Auch Menschen, die sich über geschenkte Zeit freuen würden, dürfen sich gerne telefonisch an die eben genannten Stellen wenden. Die Treffen des Ehrenamtskreises werden alle zwei Monate im Gemeindehaus Am Pütt durchgeführt und finden aktuell als Präsenztreffen statt.