Interview: „Vorschulkinder lieben in Büchern, was ihre kleine Welt zeigt“

Wie können Kinder fürs Lesen begeistert werden? Darüber sprach die WZ mit Anja Dreier-Brückner aus Velbert. Sie illustriert und schreibt Kinderbücher.

Foto: Simone Bahrmann

Velbert. Was können Eltern angesichts der Konkurrenz von Computerspielen und Fernsehen tun, um bei Kindern Interesse an Büchern zu wecken?
Anja Dreier-Brückner: Es ist unheimlich wichtig, dass man sich Zeit nimmt, und dass man sehr früh mit dem Vorlesen anfängt. Die Kinder müssen erleben, dass ein Buch eine eigene Welt beinhaltet, in die man sich hineindenken kann. Dabei kommt es mehr auf die Qualität als auf die Quantität an. Es ist nicht schlimm, wenn Eltern nur am Wochenende Zeit zum Vorlesen haben. Hauptsache, sie vermitteln, dass sie selbst Spaß dabei hat.

Was kommt bei den Kleinsten gut an?
Dreier-Brückner: Als Allererstes muss man das Kind beobachten — was findet es toll? Mädels müssen nicht nur Prinzessinnen haben und Jungs Ritter. Ich persönlich finde es wichtig, dass man nicht nur die Bücher zu den Fernsehserien oder Kinofilmen liest. Das Wichtigste ist, den Kindern zu zeigen, dass die Bücher die Fantasie anregen können.

Wie macht Kindern das Vorlesen Spaß?
Dreier-Brückner: Kinder sitzen beim Vorlesen am liebsten auf dem Schoß oder direkt daneben — da werden gerne Geschichten gelesen, die mit Liebhaben und Freundschaft zu tun haben. Oder mit „Wie werde ich stark?“ Nach dem Buch bietet sich oft ein Schlenker an zu der Frage, wie es im Kindergarten war.

Kommen die Bücher, die Eltern oder Großeltern als Kinder mochten, heute noch an?
Dreier-Brückner: Man kann es als Vorschlag bringen, aber muss nicht davon ausgehen, dass es den Kindern genauso gut gefällt. Aber wer ältere Bücher liest, bereichert seinen eigenen Wortschatz. Und die Kinder können darüber reflektieren, was sich vielleicht verändert hat.

Schwierig wird es oft beim Übergang in die Pubertät. Haben da Eltern noch Einflussmöglichkeiten?
Dreier-Brückner: Da ist man manchmal erstaunt über die eigenen Kinder — sie lesen jahrelang gar nicht, und plötzlich tauchen sie voller Neugier in Bücher ein, deren ersten Teil sie vielleicht aus dem Kino kennen und unbedingt wissen möchten, wie die Geschichte weiter geht. Einer meiner Söhne war erstaunt, wie toll „Harry Potter“ war. Er hatte nicht damit gerechnet, dass die Welt im Buch viel umfangreicher und fantasievoller war. Letztendlich hat er dann direkt die gesamte Reihe „verschlungen“.

Welche Art von Figuren mögen Kinder besonders?
Dreier-Brückner: Vorschulkinder lieben, was ihre kleine Welt zeigt — Hunde oder Katzen, die sie aus der Nachbarschaft kennen, Traktoren, Autos. Ältere Kinder schätzen Protagonisten, die etwas Fantastisches haben oder etwas Besonderes können und sich damit gegen den Rest durchsetzen — wie Pippi Langstrumpf, die den Polizisten einfach aufs Dach setzt.