Therapie: Schwanzwedeln gegen Demenz
Der Umgang mit Hund Luna regt die Gefühle an — und bremst den geistigen Abbau der Patienten.
Neviges. Luna ist ein Begleithund. Das heißt, sie wird speziell dafür ausgebildet, sich in stressigen Situationen ruhig zu verhalten. Wenn jemand plötzlich laut schreit, aus Versehen auf sie tritt oder etwas nach ihr wirft, darf sie nicht aggressiv reagieren, sondern sich nur etwas zurückziehen. Das lernt der etwas über ein Jahr alte kakaobraune Labrador momentan in einer Hundeschule in Wuppertal. Denn Frauchen Daniela Winter (33) hat sie speziell aus einem Rudel ausgewählt, das besondere soziale Wesensmerkmale aufweist.
Daniela Winter ist Physiotherapeutin, arbeitet im Domizil Burgfeld in Neviges und hatte seit einiger Zeit den Wunsch, einen Hund in ihre Arbeit einzubeziehen. „Die Arbeit mit Luna kommt speziell den demenziell erkrankten Bewohnern zugute“, so Ina Kühnel, Betreuungsassistentin im Domizil Burgfeld.
In einem fortgeschrittenen Stadium der Krankheit sind kognitive Fähigkeiten, Orientierungssinn und Zeitwahrnehmung stark eingeschränkt. „Der Zugang zu den Gefühlen bleibt aber bis zum Ende erhalten. Durch den Umgang mit dem Hund, werden diese forciert, und brachliegende Ressourcen wieder aktiviert. Die Patienten werden ,wachgerüttelt’, und der geistige Abbau gebremst“, so Kühnel.
Zur Arbeit mit Tieren hat das Domizil Burgfeld ein spezielles Konzept erstellt, so dass Hygiene und Sicherheit gewährleistet werden. Danach stand der Arbeit mit dem Hund nichts mehr im Wege. Zwölf Bewohner des Altenheims haben sich zur Therapiestunde mit Luna eingefunden. Sie sind entspannt, viele lächeln. Der Hund ist eindeutig der Mittelpunkt des Geschehens.
Eine Bewohnerin erzählt sogleich von der Dobermannzucht auf dem Hof ihrer Schulfreundin. Ein anderer ruft den Hund zu sich und streichelt ihn. Zur Begrüßungsrunde bekommt jeder ein Leckerchen, das Luna in einer Schüssel hingehalten wird. Luna ist begeistert und läuft schwanzwedelnd von einer Hand zur nächsten.
Im nächsten Schritt schneiden die Bewohner Möhrenstücke klein, die unter einem von drei Bechern versteckt werden. Luna wird weggeschickt und einzelne Bewohner müssen sie rufen, um herauszufinden, wie schnell sie den richtigen Becher findet. „Lass dich bloß nicht vergackeiern, Luna!“, ruft einer. Nachdem sich der Hund nun verausgabt hat, sind die Patienten an der Reihe: Dehnübungen, richtige Sitzhaltung. Nach dem Spaß mit Luna fällt dieser Teil leichter.
Zur Abschlussrunde kommt Luna den Bewohnern noch einmal ganz nah. Sie bekommen ein Leckerchen in eine Hand, Luna muss die richtige Hand durch Schnüffeln finden. Für Matilde Geisler ist es erstaunlich, dass sie davor nicht zurückschreckt. „Ich hätte das früher nie gekonnt, da die Hand hinzuhalten, damit der Hund daran schnuppert. Ich hatte immer Angst vor Hunden. Aber vielleicht habe ich die mit dem Alter verloren“, sagt die 84-Jährige erstaunt.
Anders dagegen Paul Fabian: Er mochte Hunde schon immer, sie haben ihn ein Leben lang begleitet. „Ich hatte es irgendwie mit denen“, sagt der 88-Jährige. „Mich hat auch früher eigentlich nie einer angeknurrt, wenn ich zu Fuß von Tönisheide nach Velbert gegangen bin.“ Er war bisher bei allen vier Treffen mit Luna dabei, und freut sich schon gleich wieder auf das nächste Mal.