Meerbusch Schiedsperson meint: Streitigkeiten in Meerbusch werden mehr und heftiger

Meerbusch · Claudia Brauns setzt auf Mediation, wenn zwei streitende Parteien zu ihr nach Hause zur Klärung kommen.

Claudia Brauns arbeitet als Juristin im Schuldienst und engagiert sich ehrenamtlich als Schiedsfrau in Lank, Strümp und den Rheingemeinden. 

Foto: brauns

Claudia Brauns ist eine von sechs Schiedspersonen in Meerbusch. Seit zehn Jahren kümmert sich die Juristin im Schuldienst darum das menschliche Miteinander ein wenig friedlicher zu gestalten.

„Vor zehn Jahren habe ich in einem Artikel gelesen, dass Schiedspersonen gesucht werden“, erinnert sich die 45-Jährige. Claudia Brauns unterrichtet im Schuldienst Jura und Politik, wollte im Ehrenamt jedoch noch weiter berufsnah juristisch tätig sein. „Das Schiedsamt ist in Deutschland eine ehrenamtliche Tätigkeit. In Nordrhein-Westfalen ist es den Gerichten vorgelagert“, sagt die Juristin aus Nierst. Mit dem Gang zweier Parteien zum Schiedsamt sollen die Gerichte gerade bei Nachbarschaftsstreitigkeiten entlastet werden.

Claudia Brauns bewarb sich um das Schiedsamt im Bezirk 3 – der Zuständigkeitsbereich umfasst hier die Stadtteile Langst-Kierst, Lank-Latum, Nierst, Ossum-Bösinghoven und Strümp. Nach einem Auswahlverfahren und Gesprächen bei der Stadt Meerbush erhielt sie für fünf Jahre den Zuschlag. Fünf Jahren später verlängerte sie noch einmal, doch am 1. Januar 2023 will sie in die zweite Reihe treten und die Posten mit ihrer jetzigen Stellvertreterin Sigrid Hilbert tauschen. Sie will sich um Familie und Beruf kümmern und das Ehrenamt etwas weniger zeitaufwändig betreiben.

„Die Arbeit hat in den letzten zehn Jahren sehr zugenommen. Die Streitigkeiten werden mehr und heftiger“, sagt sie rückblickend. Dabei ist auch ein neuer Trend zu verzeichnen: Die beiden Parteien schalten mittlerweile fast immer einen Rechtsanwalt ein, den sie zum Ortstermin bei Claudia Brauns im Wohnzimmer mitbringen. „Das führt nicht unbedingt zur einfachen Streitschlichtung“, hat Claudia Brauns erfahren. Die Anwälte schürten oftmals den Streit und übersähen die Wege, die für beide Parteien gut sind.

Dabei ist es natürlich erlaubt, einen Anwalt mit zum Termin zu bringen, oder aber die Freundin oder den Partner. Es koche alles nicht so hoch, wenn nur die beiden „Streithähne“ und sie in gemütlicher Atmosphäre zusammensäßen. Dann könnten sich die Parteien „auskotzen“ und sie übernehme eine mediative Führung. Dabei schaue sie gerne mit viel Empathie auf des Pudels Kern. Denn nicht immer gehe es um die Bambusrhizome, die beim Nachbarn durch den englischen Rasen sprießen. „Meist liegt die Ursache der Auseinandersetzungen viel weiter zurück und sitzt tief“, hat Brauns beobachtet. Menschen würden nicht mehr miteinander reden, sondern böse Briefe schreiben und sofort Anwälte einschalten. Dabei geht es der Schiedsfrau um gewaltfreie Kommunikation, Höflichkeit und einen sachlichen Rahmen.

In einem Vergleich bei der Schiedsperson gehe es nicht um Recht haben und Recht erhalten, sondern um einen einvernehmlichen Vertrag, der geschlossen werde und 30 Jahre lang Gültigkeit hat“, sagt Brauns. Darin soll festgehalten werden, was beiden Parteien gut tut. Haben die Termine bei ihr um rund ein Drittel zugenommen, so weiß Brauns auch, dass Schiedspersonen sich immer mehr Zeit für die sogenannten „Tür- und Angelfälle“ nehmen müssten. „In diesem Telefonat kann ich oft schon viel Wind aus den Segeln nehmen“, sagt sie und lässt dem Anrufer Raum, Dampf abzulassen. Die Streitthemen im Bezirk 3 unterscheiden sich leicht von anderen Bezirken oder gar Städten. Hier am Rhein seien es Bambus, Nadeln und Bäume und zunehmend die Überwachungskamaras, von denen sich Nachbarn in ihrer Privatsphäre beobachtet fühlen. „Grillgerüche verfliegen bei uns schnell“, beschreibt sie die zumeist großzügige Wohnsituation der Meerbuscher. Brauns reichen eigentlich immer Fotos, Ortstermine seien nicht üblich, da auch die Neutralität gewahrt werden müsse. Auch wenn Brauns festgestellt hat, dass es Leute gibt, die sich einfach gerne streiten, hat sie in den zehn Jahren dreiviertel der Fälle mit einem Vergleich abschließen können. Bei einem Abschluss ohne Vergleich werde eine Erfolgslosigkeitsbescheinigung ausgestellt, die dann zum Gang vor Gericht berechtige.

„Wenn sich zwei streiten, ist das nie lustig“, resümiert sie, erzählt dann aber doch von der Schmutzwäsche eines Mieters in einem Mehrfamilienhaus, der mit seiner dreckigen Kleidung den ganzen Waschkeller blockierte oder vom laut krähenden Hahn, der später sein Dasein in einer schalldichten Kabine fristen musste – in der Nacht natürlich.

Ein paar Tipps hat die Expertin für ein friedliches Nebeneinander: schon lange im Vorfeld miteinander sprechen; nichts in sich hineinfressen, keine heimlichen Briefe schreiben; gewaltfrei kommunizieren; eine sachliche Ebene finden; ein Schreiben formulieren, das Fristen setzt; und nicht sofort den Rechtsanwalt einschalten. So könne auch eine friedliche Koexistenz zwischen dem Besitzer eines Betongartens und dem eines naturnahen Gartens gelingen.

Claudia Brauns freut sich auf den „Stabswechsel“ mit Sigrid Hilbert, Die beiden ergänzten sich in ihrer Arbeit, würden gemeinsam Termine wahrnehmen und bei Gesprächen gerne für die andere den Verlauf protokollieren.