Der Turm, der die Kehl bewachte
Zentral gelegen, kaum beachtet: Der mächtige Kehlturm sicherte im Mittelalter die Stadt zum Wasser hin.
Neuss. Dieser Turm führte lang ein Schattendasein. Nur ein kleiner Teil ragt aus dem Erdreich, bis vor wenigen Tagen noch umgeben von wucherndem Grün. Kein Fußweg führt an der Bastion vorbei, kaum ein Autofahrer wird sie eines Blickes würdigen. Zwischen Hessentordamm und Romaneum, am Fußgängerüberweg hin zum Wendersplatz und doch kaum beachtet, steht der Kehlturm.
Im Zuge der Errichtung einer kleinen Grünfläche an der Rückseite des Romaneums könnte er nun zumindest ein wenig mehr Aufmerksamkeit erzielen. Verdient hätte er es.
Der Kehlturm ist Zeugnis der ereignisreichen mittelalterlichen Stadtgeschichte. Zu Beginn des 13. Jahrhunderts, als die Stadtmauer angelegt wurde, entstand auch dieser mächtige Bau: Ein trutziger Rundturm, der die aufstrebende Stadt nach Osten hin schützte. Zwölf Meter der Durchmesser, zwei Meter dick die Mauern, bestückt mit Geschützen.
An dieser Stelle trafen die Kehl, ein Nebenarm des sich damals gerade verlagernden Rheins, vom Hammfeld her mit der Erft zusammen, hier gab es auch einen Schiffsanlegeplatz. Zwischen Obertor und Rheintor sicherte der Kehlturm so die „Wasserseite“: vor ihm die Kehl und die Rheininseln Werth und Waid, dahinter Markt und Innenstadt und die sich dann entwickelnde Klosteransammlung dort, wo heute das Romaneum steht.
Deutlich tiefer war zur Bauzeit das Bodenniveau, steil ging es zum Rhein hinab, deshalb ragt der Turm heute auch nur zu einem Bruchteil aus dem Boden. Wie hoch er tatsächlich ist, hat noch niemand überprüft.
Einige Wochen lang war hier am Kehlturm die einzige offene Stelle, als die Truppen Karls des Kühnen 1474 Neuss einschlossen. Doch dann gingen die beiden Rheininseln an die Truppen des Burgunders verloren, der Belagerungsring war geschlossen.
Der Batterieturm hielt Stand. Im frühen 19. Jahrhundert verschenkte ihn die Stadt an die Alexianer, deren Klostergarten an die Bastion angrenzte. 1944 wurde der Kehlturm ebenso zerstört wie die Alexianerkapelle, Hospital und St. Anna-Stift, anders als diese historischen Bauten aber 1956 restauriert.
Nun soll der alte Wehrturm wieder ein wenig mehr Beachtung finden. Ein Fußweg wird künftig zu ihm führen, durch eine kleine Grünanlage. Dafür wird nicht tief gegraben werden müssen. Sonst stießen die Bauarbeiter vielleicht noch auf Gräber der Alexianer . . .