Filzerin erinnert an ungarische Tradition

Anikó Kucsera und ihr Mann haben neue Methoden mit Althergebrachtem kombiniert.

Wevelinghoven. Die Frage, was „Filzen“ sei, weiß Anikó Kucsera leicht zu beantworten: „Filzen ist mit Seife die Wolle zu streicheln.“ Auf der kreativen Tour ist die gebürtige Ungarin seit vier Jahren unterwegs, seitdem sie mit Mann und Sohn in Wevelinghoven lebt. „Das ist hier das Paradies für mich“, bekennt sie fröhlich und meint damit nicht nur das „schöne Umland und die netten Leute“. Sondern weil die Filzerin seither ihr Hobby zum Beruf gemacht hat.

„Meine Großmutter war Schneiderin“, erinnert sie sich an frühe Kindertage. Zum Nach- oder Mitmachen inspirierte sie das damals nie, nach dem Abi entschied sie sich für das Studium der Chemie. „Aber damit war ich nie ganz glücklich.“ Und als eine Freundin eines Tages mit einer verblüffenden gefilzten Haarspange auftauchte, war das ein Weckruf. Rasch erlernte sie über Seminare die Kunst des Filzens, die in Ungarn tief verwurzelt sei. Früher seien dort sogar Gräber mit dem besonderen Material ausgestattet worden.

Jenseits aller Tradition hat Anikó Kuscera inzwischen eine eigene Handschrift entwickelt. „Mohnblumen liebe ich sehr“, sagt sie. In allen Nuancen von Rot leuchten sie aus Taschen, Ketten und Mützen, „vielleicht, weil sie mich an meine Kindheit erinnern“. Vor allem „Geduld, Geschick und Fingerspitzengefühl“ sind es, die bei diesem Handwerk gefragt sind. „Man muss wissen, was man will“, sagt sie über die Auswahl australischer Merino-Wolle, die sehr weich, aber eben auch „sehr stabil“ ist. „Das ist wichtig für Beutel und Mützen“, geht es um Luftig-Filigranes wie ein Tuch, muss andere Wollqualität her. „Nur natürliche Materialien lassen sich mit Wolle kombinieren“, damit sich seidige Grundlagen mit wolligen Zeichnungen verbinden, braucht es „Seife, sonst flutscht es nicht“, und heißes Wasser. Ebenso wichtig sei, das Gefilzte zu walken. „Damit ich das nicht von Hand machen muss, hat mein Mann eine Maschine dafür entwickelt“.

Der Ehemann ist Maschinenbauer. Als weiteren Trägerstoff hat er ein federleichtes Plexiglas gefunden, das in einer von ihm konstruierten Maschine so vorbereitet wird, dass es die Grundform für dann zu befilzende Taschen wird. „Das ist mein Traum“, sagt sie über zukünftige Aktivitäten, „ein Familienbetrieb“. Zu diesem Netzwerk gehört bereits ihr Bruder, der sich um alles Digitale, unter anderem auch Online-Filzkurse, kümmert. „Filzen könnte ich 24 Stunden am Tag. Für mich ist das pure Entspannung.“ Zumal, da sie nach Ideen für neue Werke nicht lange suchen muss und ihr Wissen gerne vermittelt.

Das Angebot für Kreative wird jetzt in Wevelinghoven erweitert. Regelmäßig gibt Anikó Kuscera dort in ihrem Atelier Kurse für Erwachsene und Kinder. von