Für Blau-Weiss geht’s jetzt um alles
Beim Saisonfinale fallen zwei Leistungsträger aus. Um so wichtiger wird der Kampfgeist.
Neuss. Live-Ticker sind verboten am Sonntag ab 11 Uhr auf der Tennisanlage an der Jahnstraße. „Wir schauen nur auf uns,“ sagt Teamchef Marius Zay vor dem finalen Auftritt des TC Blau-Weiss Neuss in der Tennis-Bundesliga gegen den Nachbarn Blau-Weiss Krefeld. Dem geht tags zuvor (Samstag, 12 Uhr) das Gastspiel beim noch amtierenden Deutschen Meister Blau-Weiss Halle voraus.
Ein Sieg muss mindestens her aus den beiden Partien, damit der Immer-Noch-Rekordmeister ein Jahr nach dem Wiederaufstieg nicht gleich wieder in die Zweite Liga muss. Bei ganz viel Pech — und davon hatten die Neusser reichlich in dieser Spielzeit — könnte selbst der zu wenig sein für den Klassenerhalt. Um den kämpfen an den letzten beiden Spieltagen, die erstmals in der Bundesliga-Geschichte innerhalb von 24 Stunden ausgetragen werden, noch fünf Klubs. Gewinnen Gladbacher HTC (gegen Kurhaus Lambertz Aachen) und Kölner HTC Stadion Rot-Weiss (gegen TV Reutlingen) am Samstag ihre Heimspiele, sind sie aus dem Schneider. Verliert Neuss in Halle, gehen dann drei Klubs punktgleich ins Finale, das allen drei Heimrecht beschert: Blau-Weiss gegen Krefeld, Aachen gegen Halle und Reutlingen gegen den TC Weinheim. Da könnten am Ende Match- und Satzpunkte den Ausschlag geben, welche zwei Klubs absteigen müssen.
„Chancenlos sehe ich uns nicht,“ sagt Marius Zay. Doch der Teamchef der „Ewigen Liebe“ muss mit zwei gravierenden Handikaps leben. Erstens der Frage, mit welcher Ernsthaftigkeit und daraus resultierend welcher Aufstellung die Gästeteams am letzten Spieltag zu Werke gehen werden. Halle und Krefeld dürfen hinter dem designierten Titelträger GW Mannheim (fehlt noch ein Punkt aus zwei Spielen) noch mit der Vize-Meisterschaft liebäugeln, Weinheim steht mit 7:7 Zählern jenseits von Gut und Böse. Der Vorjahresaufsteiger war schon am vergangenen Sonntag mit der nominell schwächsten Formation der gesamten Saison nach Halle gereist und kassierte dort folgerichtig eine 0:6-Schlappe.
Ähnliches befürchtet Marius Zay auch für die Partie in Reutlingen, während er mit Blick auf die eigene Aufgabe gegen den Nachbarn aus Krefeld mutmaßt: „Die werden uns bestimmt nicht den Gefallen tun und eine Reservistentruppe vorbeischicken, die wollen hier gewinnen.“ Das will Zay auch. Doch hier kommt Handikap Nummer zwei ins Spiel — Blau-Weiss Neuss muss in den letzten beiden Partien auf seine Spitzenspieler verzichten. Attila Balasz und Uladzimir Ignatik sind für jeweils drei Wochen krank geschrieben, der Ungar und der Weißrusse haben wegen Beschwerden an der Leiste beziehungsweise am Ellbogen für diesen Zeitraum alle Turniere abgesagt.
Marius Zay, Teamchef
Vor allem der Ausfall von Attila Ballasz schmerzt: „Er war so etwas wie unser Leader,“ sagt Zay über den 29-Jährigen, der nur beim 1:5 zum Saisonauftakt gegen GW Mannheim eine Niederlage gegen Maximilian Marterer (6:7, 6:7) kassierte, seine anderen drei Einsätze aber relativ souverän nach Hause brachte.
Und: Wenn er auflief, rückten die anderen in der Aufstellung nach hinten — auf die Plätze, auf denen sie in der ursprünglichen Planung vorgesehen waren. Jetzt müssen die beiden Tschechen Zdenek Kolar und Vaclav Safranek an den Positionen eins und zwei spielen, eigentlich zu hoch für die Nummern 219 und 257 der Weltrangliste. Dahinter stehen Bernabe Zapata Miralles (ATP 280), Botic Van De Zandschulp (ATP 329) und der ehemalige Wimbledon-Doppelsieger Frederik Nielsen im Aufgebot.
Ihr Teamchef setzt darauf, dass seine Spieler aus dem enttäuschenden Auftritt beim 1:5 am vergangenen Sonntag gegen Reutlingen gelernt haben. Nämlich, „dass es in unserer Situation nicht darauf ankommt, schönes Tennis zu spielen, sondern zu kämpfen,“ sagt Marius Zay. Und richtet diesen Appell vor allem an den einstigen Publikumsliebling Botic Van De Zandschulp, dessen 1:6, 3:6-Schlappe gegen Michael Berrer viel Unmut und Kritik hervorrief. „Sein Spiel ist immer eine Gratwanderung zwischen Welt- und Kreisklasse,“ sagt Zay über den 22 Jahre alten Niederländer, mit dem er und Co-Trainer Clinton Thomson unter der Woche „ein langes und ernstes Gespräch“ führten. Ob Van De Zandschulp verstanden hat, was die beiden ihm zu vermitteln versuchten, könnte ganz entscheidend sein für den Ausgang des Abstiegsfinales — und dafür, ob die Blau-Weissen und ihre Anhänger am Sonntag dann doch am Live-Ticker hängen werden.