Veranstaltungsreihe Guter Start der neuen Lesereihe „Lesen +“ in Schwelm
Schwelm · Autoren treten gemeinsam mit Künstlern in der Stadtbibliothek auf.
„Lasst euch mal etwas vorlesen“: Dieser Aufforderung der Reihe „Lesen +“ folgten zahlreiche Besucher, um Worten von Judith Kuckart und Gitarrenklängen von Émilie Fend zu lauschen. Am Samstag machten die Schriftstellerin und die klassische Gitarristin im Kulturhaus Schwelm den Anfang der sechsteiligen Lesereihe. Jasmin Arnold, Leiterin der Stadtbücherei, hatte schwere Bücherregale zur Seite geräumt und Platz für 45 Sitzplätze geschaffen.
„Die Stadtbücherei ist nicht ganz unschuldig an dem, was aus mir geworden ist“, beginnt die Autorin Judith Kuckart, die in Schwelm geboren wurde. Die erste Geschichte liest sie nicht vor, sondern erzählt anschaulich, wie sie als Mädchen mit ihrer Freundin Martina in die Vorlesestunden der Stadtbücherei ging: „Wir hatten Pantoffeln dabei. ‚Die kleine Hexe‘ war unser erstes Buch.“ Wer den Beschreibungen folgt, wird an die alte Bücherei an der Schulstraße erinnert. Mit zwölf Jahren hatte Judith den Wunsch, in die Erwachsenenbücherei zu gehen. „Ich war immer schon ziemlich groß“, erzählt Kuckart, und hatte keine Schwierigkeiten, auf die Bibliothekarin alt genug zu wirken.
Sie erzählt von ihren ersten Büchern, die sie nicht nach Titel oder Inhalt, sondern nach den schönen Bildern auf dem Einband ausgewählt habe. Auf diesem Weg kam die Literatur in das Leben der späteren Schriftstellerin. „Richtiges Lesen kann einem bei vielem helfen. Leute, lest mehr Bücher“, lautet Judith Kuckarts Plädoyer zu der ersten Erzählung.
„Das Besondere an ‚Lesen +‘ ist, dass Autoren gemeinsam mit Künstlern auftreten, die die Lesung durch Musik, Bilder, Tanz oder Improvisation begleiten, ergänzen und bereichern“, erklären Kirsten Rönfeld und Dietrich Rauschtenberger, die Initiatoren der Lesereihe. An diesem Abend bereichert die 1995 in Strasbourg geborene Émilie Fend mit zauberhaften Gitarrenklängen das gesprochene Wort. Sie beginnt mit „Torija“, einem sehr poetischen Satz aus Federico Moreno Torrobas Werk „Castillos de Espana”. Die Wahl-Schwelmerin hat Stücke ausgewählt, die einen ersten Eindruck von der klassischen Gitarre bieten und sich mit erzählerischem Charakter sehr gut in die folgende Lesung einfügen.
Die Orte in den Romanen kennt die Autorin persönlich
Judith Kuckart liest eine längere Passage aus ihrem Roman „Wünsche“, der 2013 erschienen ist. Bildhaft, mit präzisen Wahrnehmungen beschreibt sie das Geschehen an Silvester in einer kleinen Stadt. Vera geht schwimmen. Sie hat Geburtstag, zu Hause warten Mann, Sohn und Freunde, um gemeinsam zu feiern und, wie in jedem Jahr, einen alten Film anzuschauen. „Die Brauerei arbeitet auch an Silvester und verbreitet ihren Atem bis hinauf zum Waldschwimmbad“, heißt es da. Als Zuhörer meint man, den Hefegeruch von früher zu riechen. Auch das Reformhaus, das „am letzten Tag des Jahres Socken und Holundermarmelade billiger verkauft“, lässt viele im Publikum wissend nicken. Erinnerungen werden wach.
Die Orte, an denen Kuckarts Romane spielen, kennt die Autorin persönlich. Sie lebt in Berlin, verbrachte aber die ersten 19 Jahre ihres Lebens in Schwelm. Die Kleinstadt eignet sich gut als Kulisse. Kuckart wechselt behutsam Erzählebenen und Orte des Romans. Draußen und drinnen, das Hallenbad und der Bungalow, Erinnerungen an die Dreharbeiten zu dem Film vor etwa 34 Jahren und an die vergangenen zehn Jahre. Dazu zaubert Émilie Fend nachdenkliche Gitarrenklänge aus Preludes von Manuel Maria Ponce. Vera wird an diesem Tag ihr Leben ändern und vielleicht ein neues beginnen – wenn das denn möglich ist. Als sie im Hallenbad eine Frau sieht, deren „schwimmbadgrüne Flipflops ein schmatzendes Geräusch machen“, meint man das Hallenbad mit seinen Gerüchen und Geräuschen wahrzunehmen. Mit Ausweis und Kleidung der anderen Frau haut Vera ab.
„Rondeña“, ein längeres Werk von Regino Sainz de la Maza, setzt einen feinen Schlusspunkt unter „Wünsche“. Dann verbindet Kuckart das Gelesene mit einem Ausblick auf ihren neuen Roman „Die Welt zwischen den Nachrichten“. Sie liest ein paar Ausschnitte vom Laptop ab, denn das Buch wird erst am 13. August im Dumont-Verlag erscheinen. Sofort wird deutlich: Schwelm spielt als Ort der fiktiven Handlung wieder eine Rolle. Kuckart erzählt entlang ihrer eigenen Biografie und damit auch über ihre Generation, geboren Ende der 1950er Jahre.
Zum Schluss beantwortet sie Fragen des interessierten Publikums: Wie hat sie mit dem Schreiben begonnen? Wo und wann schreibt sie und mit welchen Augen sieht sie Schwelm?