Fotos André Poloczeks Themen des Jahres 2016 in Wuppertal
Ikea: Jetzt wandern die Kröten nach Oberbarmen
Die Kröten wandern — allerdings sind es seit Ende September die sprichwörtlichen Kröten, die sich aus den Portemonnaies vieler Wuppertaler auf die Wanderschaft in die Kassen des schwedischen Möbelhauses begeben. Ikea hatte im Januar den symbolischen Grundstein für das Möbelhaus in Oberbarmen gelegt — und neun Monate später waren bei Billy schon alle Schrauben festgedreht.
Ein bisschen Schwund ist angesichts dieses Tempos immer drin, dachten sich die Schweden wohl. Ganz so locker sah das der Bund für Umwelt und Naturschutz nicht, der im Zuge des Parkplatzbaus seltene Erdkröten auf die Vermisstenliste setzen ließ und bedauerte, dass der Lebensraum der Tiere zerstört worden sei. Ikea will den Verlust des Krötenteiches durch Ausgleichsmaßnahmen gutmachen. An den dafür erforderlichen Kröten dürfte es nicht fehlen, denn in den Eröffnungswochen war der Ansturm groß. „Ikea zahlt Steuern“, versichert Stadtkämmerer Johannes Slawig. Wie viele Kröten im Stadtsäckel ankommen, verrät er aber nicht.
Bahnhof: Rund oder eckig — das ist hier die Frage
Alle Versuche, die Fenster des historischen Bahnhofsgebäudes am Döppersberg in ihrer ursprünglichen Form wieder herzustellen, scheinen gescheitert zu sein. Rund oder eckig — das ist die Frage, die selbst von den Historikern mit einem glatten „Jein“ beantwortet wird. Beides ist möglich — daher setzt sich in dieser Diskussion der Stärkere durch — und das ist die Stadt Wuppertal, die die Sanierung der Bahnhofsfassade bezahlen muss. Die salomonische Lösung des WZ-Karikaturisten, ganz auf die Fenster zu verzichten, fand ebenfalls keinen Anklang.Erst nach Androhung des totalen Liebesentzugs durch Oberbürgermeister Andreas Mucke erklärte sich die Bahn bereit, im kommenden Jahr mit der Sanierung des Empfangsgebäudes überhaupt zu beginnen. Rund um den Bahnhof investieren die Stadt und private Investoren insgesamt 320 Millionen Euro. Da dürfen die Wuppertaler sehr froh sein, dass die Bahn nicht erst dann ihre Bagger auffährt, wenn der Döppersberg schon fertig ist. Soweit der Fahrplan der Bahn — warten wir es ab.
Seilbahn: Noch ist sie nicht über den Berg
Als im Juni ein Unwetter mit Starkregen über Wuppertal nieder ging, da glichen Steinbeck und Cronenberger Straße zeitweise einer Seenlandschaft. WZ-Karikaturist André Poloczek wies darauf hin, dass die Stadt mit einer Seilbahn bei ähnlichen Fluten den Kopf über Wasser halten könnte — zumindest in den höher gelegenen Stadtteilen. Doch so richtig groß in Fahrt kamen die Seilbahnpläne 2016 noch nicht. Erst im Februar 2017 soll über einen Grundsatzbeschluss im Rat der Stadt entschieden werden. Stimmt der Rat der Fortführung der Planung zu, dann muss für die nächsten Schritte Geld für das Projekt in die Hand genommen werden. Bisher hat die Diskussion über die Seilbahn noch keine erheblichen Kosten — Kritiker sagen ’Schäden’ — verursacht, das würde im Verlauf der nächsten Planungsschritte anders. Geht das Projekt baden, blieben die Stadt und die WSW auf den Planungskosten sitzen. Das Land NRW hat Interesse an einer Förderung des Seilbahnprojektes angekündigt — doch der Impuls muss 2017 von den Wuppertalern ausgehen.
Fußball: Sind wir denn nicht alle Isländer?
Isländische Sportler haben schon immer die Wuppertaler Sportwelt fasziniert. Dabei handelt es sich bisher um Handballer, die aktuell beim Bundesligisten BHC spielen oder früher für den HCW auf Torejagd gingen. In diesem Sommer faszinierten aber die isländischen Kicker die Menschen in ganz Europa. Sie überraschten bei der Fußball-EM, weil sie nicht nur toll gegen den Ball traten, sondern mit ihrem „HUH! HUH!“ ganz England erschreckten. Den englischen Superstars hatten die Wikinger in Frankreich die Tür zum EM-Brexit geöffnet.
Kein Wunder, dass der Jubel inzwischen weltweit Nachahmer gefunden hat. Auch beim Bergischen HC ist das „HUH! HUH!“ bereits nach Siegen erklungen. Allerdings liegt das letzte „HUH“ schon so lange zurück, dass man sich große Sorgen um die Bergischen und ihre beiden „Isis“ machen muss. „HUH! HUH!“, ruft zurzeit nur noch das Abstiegsgespenst. Vorschlag: Die Nichtabstiegsfeier sollte der BHC dann am Elberfelder Islandufer feiern. Mit einem umso kräftigeren „HUH!, HUH!, HUH!“.
Energiewende: Sonnenschein im Herzen
Photovoltaik-Anlagen zieren bereits die Dächer von mehr als 1000 Häusern in Wuppertal. Im Mai dieses Jahres haben sich Stadtwerke, Energieagentur NRW, Stadt und Stadtsparkasse gemeinsam auf den Weg gemacht. Ihr Ziel ist es, bis 2020 weitere 1000 Häuser mit Photovoltaikanlagen auszurüsten. Angesichts des Zuwachses in den vergangenen fünf Jahren ist das ein ehrgeiziges Ziel. „Wir sind auf Platz 17 der Großstädte, da sollten wir auch mindestens auf Rang 17 bei den Solaranlagen kommen“, forderte Oberbürgermeister Andreas Mucke. Doch zuletzt hat man den Sonnenkollektor kaum noch in Aktion gesehen. Ob es am verregneten Sommer gelegen hat? Das Thema Energiewende ist in diesem Jahr von anderen Ereignissen in den Hintergrund gedrängt worden — dabei waren gerade die Ansätze in Wuppertal vielversprechend.
Pokémon: Die Monster-Zeitfresser vom Steinweg
Die Erinnerungen an die kleinen, virtuellen Monster sind schon etwas verblasst, aber es ist gerade einmal einen Sommer her, dass die ganze Welt die Pokémon jagte. Wie gebannt starrten vor allem junge Menschen auf ihre Smartphones, wenn sie auf die Jagd gingen. Sie belagerten auch in Wuppertal in Scharen Hotspots, wo sie sich satte Beute erhofften — so zum Beispiel den Zoo oder Schwebebahnstationen. Vor den Sommerferien hatten viele Wuppertaler allerdings ganz andere Sorgen. In vielen ihrer Sammlungen fehlten kurz vor der großen Urlaubsreise noch der Reisepass oder ein gültiger Personalausweis. Das fiel wie in jedem Jahr vielen Wuppertalern auf den letzten Drücker ein. Doch vor dem Einwohnermeldamt am Barmer Steinweg waren die Schlangen noch länger als vor den besten Pokemon-Jagdgründen. Wer eine Wartenummer zog, wurde per SMS benachrichtigt, dass er an der Reihe war. Doch das konnte dauern. Die wahren Zeitfress-Monster wurden nicht in Japan, sondern im Barmer Rathaus erfunden.
Schwebebahn: Modern schweben will gelernt sein
Warum sind wohl die Wuppertaler die besten Autofahrer? Nun, weil sie schon als Fahrschüler das wahre, harte Leben aus erster Hand kennenlernen. Anfahren am Berg auf der Sadowastraße, Einparken auf dem Ölberg, Baustellen, Einbahnstraßen — Fahrlehrer, was willst Du mehr?
In Wuppertal gibt es aber nicht nur die härtesten Fahrschulen, sondern mit der Schwebebahn-Fahrschule auch eine mit hohem Seltenheitswert. Dort herrscht seit Monaten Hochbetrieb, denn fast alle WSW-Mitarbeiter, die mit der Schwebebahn zu tun haben, müssen sich mit den Wagen der neuen Modellreihe vertraut machen. Das hat einen ernsten Hintergrund, denn bei einer Störung oder bei einem Unfall auf der Strecke sollen diese Mitarbeiter in der Lage sein, eine Bahn bis zur nächsten Schwebebahnstation zu fahren. Schwebebahnfahrer sind übrigens noch deutlich in der Überzahl, aber auch auf diesem Gebiet holen die Frauen auf. Das liegt aber sicher nicht daran, das Rückwärtseinparken nicht auf dem Stundenplan der Fahrschule steht.
Rathaus: Das große Holzen ist ausgeblieben
In unveränderter Besetzung geht die Verwaltungsspitze in das neue Jahr. Davon konnte man zum Start 2016 nicht unbedingt ausgehen. Unter Druck stand zunächst vor allem der Beigeordnete Frank Meyer, Geschäftsbereich Stadtentwicklung, Bauen, Verkehr und Umwelt. Der stand wie sein Amtskollege Stefan Kühn (Soziales, Schule, Jugend und Integration) im Frühjahr zur Wiederwahl. Doch während Kühn (SPD) sogar Stimmen der Oppositionsparteien erhielt, musste Meyer (SPD) um seine Wiederwahl bangen. Die Abschaffung der Baumschutzsatzung war nur einer der Punkte, für die Meyer den Kopf hinhalten musste. Für ihn sprach, dass im Mai die Fortschritte am Döppersberg unübersehbar waren und erst im Herbst eine erneute Kostensteigerung von 140,5 auf 153,5 Millionen Euro folgte. Im zweiten Halbjahr geriet dann vor allem der neue Beigeordnete für Bürgerbeteiligung, Panagiotis Paschalis, zunehmend in die Kritik. Viele Wuppertaler halten seinen Job als Bürgerbeteiliger schlichtweg für kostspielig und komplett verzichtbar.
Museum: Die Kunst des Wartens
Im Idealfall ist ein Kunstmuseum ein zeitloser Raum, der sich den hektischen Zwängen des Alltags entsagt. Die Übergänge zwischen Kunst und Realität sind fließend und scheinen oft in zeitloser Stille und Schönheit erstarrt zu sein. Nein, das ist keine Beschreibung der Ausstellung mit Werken von Tony Cragg im ersten Halbjahr, sondern sie gilt der Performance, die im Café des von der Heydt-Museums geboten wurde. Über viele Monate fand dort eine Dauerausstellung zum Thema „Die Baustelle im Wandel der Jahreszeiten“ statt. Der Künstler beschränkte sich auf recht bescheidene Effekte, rückte eine Leiter mal hierhin, mal dorthin — ganz so, als würde er diesen scheinbaren Stillstand der Zeit, diesen leisen Fortschritt hin zu einem größeren Ziel in ein Kunstwerk gießen. Das Wuppertaler und das zugereiste Publikum hielt wochenlang vor Spannung den Atem an, bevor kurz vor knapp mit der Wiedereröffnung des Cafés die lang ersehnte Finissage stattfand. Selten haben die Wuppertaler das Ende einer Dauerausstellung so herbei gesehnt.
Verkehr: Ein Herz für Radfahrer
Wuppertal möchte sich zu einer Fahrradstadt entwickeln, was abseits der Trassen noch etwas holpert. Doch es gibt keine schlechten Radwege, weder auf der Aue noch der B 7, es gibt nur schlechte Radler-Ausrüstungen. Der WZ-Karikaturist rät daher Wuppertals Radfahrern zum traditionellen Outfit, das sich bereits vor Jahrhunderten bei kleineren Ausflügen und Feldzügen in unwirtliche, feindselige Gegenden bewährt hat.
Primark: Groß, größer, noch größer, viel zu groß
Auf den ersten Plänen für den neuen Döppersberg symbolisierte ein kleiner Würfel als Platzhalter den sogenannten Investorenkubus. Was aus dem kleinen Würfel geworden ist, lässt sich auf der Großbaustelle Döppersberg nicht mehr übersehen. 2016 wuchs ein fünfstöckiges, mächtiges Geschäftsgebäude aus dem Boden, das in seinen Ausmaßen nichts mehr mit dem einst so putzigen Würfelchen gemein hat. Vielen Wuppertalern ist das Geschäftsgebäude für den Textil-Discounter Primark um einige Nummern zu groß ausgefallen. Das Auge lügt nicht, denn im Gegensatz zu späteren Computer-Simulationen ist das vom Investor Signature Capital erstellte Geschäftsgebäude nicht etwa eine Randfigur auf dem großen Bahnhofsvorplatz, sondern bildet das Zentrum der neuen Wuppertaler Mitte. Bei der Grundsteinlegung im Oktober wurde Kritik mit dem Verweis auf die optisch ansprechende Fassade des Gebäudes begegnet. Die muss erst noch montiert werden. Wer aus Barmen mit dem Auto anreist, bekommt allerdings von Primark die Kehrseite präsentiert.
Simonshöfchen: Schöner wohnen in Wuppertal
So freigiebig wünscht man sich das Land Nordrhein-Westfalen auch in anderen Bereichen. Nach dem Neubau der Jugendvollzugsanstalt in Ronsdorf steckt das Land in den kommenden Jahren weitere 170 Millionen Euro in die Justizvollzugsanstalt Simonshöfchen, das in die Jahre gekommen ist. Ein WZ-Leser hat einmal ausgerechnet, dass bei 585 Häftlingen rund 290 000 Euro pro Insassen für Umbaumaßnahmen ausgegeben werden. Ob angesichts der erforderlichen Sicherheitsstandards noch Geld für goldene Badewannen übrigbleibt — wie es der Leser vermutet hat — dürfte allerdings fraglich sein. Aufgrund des zu erwartenden Baulärms sollen bei der Gefängnisleitung bereits einige Anträge von Insassen vorliegen, die freiwillig auf die Badewannen und eine Fortsetzung ihrer Haftstrafe verzichten würden. Alteingesessene im Simonshöfchen sind jedoch vor allem die 211 Beschäftigten. Und denen darf man für die Zukunft uneingeschränkt einen moderneren und vor allem einen noch sichereren Arbeitsplatz als bisher gönnen.