Ausstellung Der Körper ist „unser einziges Eigentum“
„Du und ich – 2“ im KuKuNa setzt Ausstellungsreihe der BBK über Else Lasker-Schüler fort.
Wie würde es Else Lasker-Schüler (ELS) in der Kunstszene Wuppertals heute ergehen? Würde sie gefeiert werden, anecken oder eher unbemerkt bleiben? Was würde sie zum Umgang mit ihren Themen sagen? Fragen, die sich so mancher stellen mag, der sich in ihrem Jubiläumsjahr mit der berühmten wie unbequemen Künstlerin auseinandersetzt, die 1869 in Elberfeld geboren wurde und sich in der Welt verlor, einsam und heimatlos 1945 in Jerusalem starb. „Du und ich – 2“ ist der Titel einer Austellung, die Bilder und Objekte von drei Künstlerinnen und einem Künstler des Bundesverbands Bildender Künstlerinnen und Künstler (BBK) Bergisch Land zeigt. Ergebnis persönlicher Dialoge mit Lasker-Schüler über den „menschlichen Körper, sein sensibles, verletzliches und vergängliches Dasein“, sagt Teresa Wojciechowska. Am Sonntag wurde die Schau im Kunst-Kultur-Natur-Atelier (KuKuNa) des Caritasverbandes Wuppertal/Solingen eröffnet – zehnte Station der BBK-Reihe „Else geht aus“.
„Ihre Gedichte haben mich tief erschüttert“, sagt die Malerin und Grafikerin Wojciechowska, die durch die Lyrikerin die Aktdarstellung für sich wiedergefunden hat. Weil für ELS wie für sie der Körper „unser einziges Eigentum ist, wir die Freiheit besitzen, über ihn zu entscheiden“. In dem hellen Raum des KuKuNa zeigt sie drei neunteilige Bilder menschlicher Torsi. Mal mit Öl oder Acryl auf Leinwand gebracht, mal als Grafik im Metall-Hochdruckverfahren gefertigt. Torsi, weil sie erlauben, den Abstand zum Individuum, seine Anonymität zu wahren, weil auch bei Skulpturen meist nur der starke Rumpf über die Jahrhunderte überdauere. Gedanken, die Wojciechowska ELS verdanke und die sie weiter verfolgen wolle, sagt sie.
Die Auseinandersetzung mit
Else war nicht immer erfreulich
Auch Petra Pfaff hat sich intensiv mit Lasker-Schüler auseinandergesetzt – seit die BBK im letzten Jahr beschloss, einen eigenen Beitrag zum Jubiläumsjahr zu erarbeiten. „Das war nicht immer erfreulich und doch immer wieder anrührend“, erzählt die Performance- und Objektkünstlerin, die für die Veranstaltungsreihe die auf einem Schaukelstuhl sitzende Else-Figur geschaffen hat, mit ihrem schwarzen Spitzenkleid, ihrem Kopf aus perforierten Acrylscheiben, auf den Buchstaben wild umhertanzen. Keine Schaufensterpuppe, sondern eine bewusst durchsichtige und nicht greifbare Else, „eine multiple und interessante Person, die erste Performance-Künstlerin“ überhaupt. Pfaff verknüpft ihre Arbeiten mit dem Appell, den Künstlern mehr Aufmerksamkeit zu schenken, die nicht etabliert sind. Diese mit einem Else-Fonds zu unterstützen anstatt ELS mit Veranstaltungen zu gedenken.
Im KuKuNa zeigt sie neun Arbeiten, die zum Beispiel mit am Boden liegender Fechtmaske, Handschuh, Wirbelsäule, Pullover und Rock an die Freiheitskämpferin erinnern, oder an die dem Morgenland zugewandte Künstlerin, die Ornamente auf ihren Kleidern hatte – mit zwei Wangen einer alten Kirchenbank aus Eiche, auf denen ein Papier-Acrylglas-Torso steht. Ihr „Verwandlungshemd“ aus Fliegengitter mit Tüll hat Pfaff bewusst mit unleserlichen Worten bestickt, weil auch Lasker-Schülers Gedichte selten direkt zu verstehen gewesen seien.
Eine sehr persönliche Soundinstallation
Martin Rybackis Menschenbilder sind keine Porträts, entspringen vielmehr seiner Beschäftigung mit dem Menschen, seiner inneren „Bibliothek der Gesichter“, die anerkennt, „dass wir auch Dunkles in uns haben, dass wir vergehen“. Vier großformatige, in gedeckten Farben und dicken Pinselstrich gemalte Bilder einer 20 Werke umfassenden Serie hat er ins KuKuNa gehängt. Sie zeigen verletzliche, traurige, unglückliche Gesichter. Wie Else setzt er sich mit der Vergänglichkeit des menschlichen Körpers auseinander, fragt sich, ob das Dunkle im Menschen Oberhand gewinnen könne. Versucht beim Malen herauszufinden, „was in mir steckt“, zu fühlen, ob er das Gemalte auch vertreten könne.
Maria Pienkowski ist Bildhauerin. Ihre Arbeiten sind filigran. Kleine menschliche Bronzefiguren liegen oder sitzen in Glasvitrinen, blicken in die Ferne, scheinen sich zu unterhalten, nachzudenken. Einige Körper sind in Scheiben unterteilt. Kleine Puppen, die Gefühle wie Trauer, Glück, Liebe und Zerrissenheit darstellen. Dazu stellt Pienkowski das Tryptichon Lebensweg, in Mischtechnik gefertigte kleine, detailreiche Zeichnungen, die mithilfe eingearbeiteter Fotos Lebenstationen Lasker-Schülers festhalten. Einige traditionell geformte Medaillen ehren außerdem das Jubiläum Elses.
Einen ganz eigenen Zugang zu Else Lasker-Schüler wählte Charles Petersohn. Der Musiker und DJ stellte sich der Herausforderung, ihre Gedichte lebendig zu machen, mischte eine sehr persönliche Soundinstallation, „in der viel Liebe und Anstrengung steckt“, erzählt er, nachdem das Werk bei der Vernissage zu hören war. Zirka 20 Minuten lang rezitieren Männer und Frauen Gedichte Lasker-Schülers. Alles Laien, darunter Familienmitglieder, unter anderem seine Mutter, was zu einem unperfekten und dadurch sehr persönlichen und authentischen Ergebnis geführt habe, so Petersohn. Die ausgewählten Texte verknüpfen Jahres-, Tages- und Lebensläufe, Ängste, Sehnsüchte nach Geborgenheit und Liebe. Getragen werden sie von einem manchmal knarzenden, stets sanften Klangteppich.
„Else geht aus“, und das bereits zum zehnten Mal. Ulla Schenkel, die die Reihe mitkoordiniert, freut sich, dass das Konzept aufgeht, die Leute zu den verschiedenen Ausstellungsorten im Stadtgebiet kommen, dort über die Kunst auf ihre persönlichen Bezüge zur Jubilarin zu sprechen kommen. Das KuKuNa als Begegnungsort für „Menschen unabhängig von Alter und Herkunft durch Aktivitäten in den Bereichen Kunst, Kultur und Natur“ ist dafür bestens geeignet. Das würde wohl auch Else Lasker-Schüler so sehen.