Kultur Einfach mal zuhören

Uta Atzpodien fehlt ein Bündnis zwischen Kunst, Kultur und Wissenschaft

Uta Atzpodien vom Freien Netzwerk Kultur.

Foto: Ralf Silberkuhl

Im Sommergarten von Bob Campus, hinter dem Büro an der Wichlinghauser Straße, neben dem Viadukt, erklang am ersten lauen Herbstabend eine Stimmenvielfalt. Auftakt war „Arbeit:Mensch:Utopia“, eine 20-minütige filmische Porträtcollage, bei der Menschen sich selbst zuhören. Ein Austausch zu eigenen Arbeitserfahrungen, ein Wünschen für die Arbeit der Zukunft knüpfte an. Fast magisch war die Atmosphäre, ganz vertraut und wob sich zu einem Klangteppich der Arbeit zusammen: Geschichten aus der Kindheit, Bauchschmerzen am Morgen, beglückende Momente der Zusammenarbeit, Maloche, engagiertes Wirken. Das Zuhören begleitet mich weiter. Wie erfrischend es den eigenen Horizont weiten und Menschen in ihrem Anderssein in eine vorher nie wahrgenommene Nähe bringen kann: Einfach mal zuhören. 

Warum ist das so wichtig? Für mich ist das Zuhören ganz eng mit einem Innehalten verbunden, einer (Selbst-)Reflektion, die uns in unserer so beschleunigt-gefährdeten Gesellschaft schnell abhanden kommt. Kunst und Kultur vermögen, dies eindringlich und tief zu verwurzeln. Darin besteht für mich eines ihrer besonderen Potentiale: Neben allen anderen Sinneswahrnehmungen begleiten mich wunderbare Geschichten. Erst jüngst über den Besuch von multiplikartiv in der Rathausgalerie, bei der mit „Kunst trifft Einzelhandel“ inmitten des sonst recht leerstehenden Kommerzgebäudes, über Galerien, Konzerte, Ateliers, Sprachlabore und tänzerische Interventionen mit afrikanischen Masken die kulturelle Vielfalt unserer Stadt fantasievoll zum Erblühen und Erklingen kam.

Bodo Berheide berichtete von der Projektgeschichte, erklärte, warum Kunst ein Nahrungsmittel sein kann, Mamadou Diallo sprach von den Ursprüngen der eindrucksvollen Holzmasken. Zuhören gestaltet sich in unserer von babylonischer Sprachvielfalt geprägten Stadt nicht immer einfach. Anfang November lädt ein Gastspiel aus Berlin mit „Minenfeld Dolmetschen“, eine Gruppe um die Regisseurin Annette Ramershoven, in die Insel e. V.-Etage im Café Ada ein, um all den Herausforderungen auf die Spur zu kommen, die mit dem Zuhören, Übersetzen, Vermitteln, auch dem Nichtgehörtwerden einhergehen können. 

Um unsere Zukunft als Chance zu begreifen, dafür brauchen wir das Zuhören. Auf der Stadtlandkarte „Zukunftslabor Kunst und Stadt“, auf der beispielhaft 13 Kulturorte als gelebte Utopien aufgeführt sind, hat der Graphiker Jens Oliver Robbers auf die Oper eine Ohrmuschel gezeichnet. Für Utopiastadt ist das Gehörtwerden zentral, graphisch in „Gehört-Werdenzen“ umgesetzt, von lokal bis interstellar, ins Universum. Dafür kann gerne die über freies netz werk Kultur noch verfügbare Karte unter die Lupe genommen werden.

Auch der Nachhaltigkeitswissenschaft sollte unbedingt mal zugehört werden, warnt sie doch schon seit Jahrzehnten vor den Folgen des Klimawandels. Was hier fehlt, ist ein klares Bündnis zwischen Kunst, Kultur und Wissenschaft samt den finanziellen Ressourcen und Freiräumen, die es dafür braucht. Morgen findet in Berlin die Auftaktveranstaltung vom „Fän“ statt, dem Fonds für Ästhetik und Nachhaltigkeit, den die Kuratorin Adrienne Goehler mit 131 Stimmen aus Wissenschaft und Kunst fordert, um Strukturen und Gelingensbedingungen zu ermöglichen.

Auch diesen vielen Stimmen gilt es, seitens der Politik einfach mal zuzuhören. Übrigens: Am 26. Oktober in der Kunststation Wuppertal im Bahnhof Vohwinkel, am 16. November in der Kulturschmiede Cronenberg und am 25. November im Insel e. V./ Café Ada lässt sich mit „Arbeit:Mensch:Utopia“ das Zuhören weiterhin üben.