Junges Orchester: Musikalische Schwerstarbeit
Junges Orchester brilliert in der Stadthalle mit anspruchsvoller russischer Musik.
Wuppertal. Schon im vergangenen Jahr sorgte das Junge Orchester NRW unter seinem Dirigenten Ingo Ernst Reihl mit Mahlers zweiter Sinfonie in Wuppertal für ungläubiges Staunen darüber, was junge Musiker leisten können. Auch dieses Mal waren die Maßstäbe für die begabten Schüler, Studenten und jungen Erwachsenen in großer Höhe angesiedelt: Rachmaninows zweite Sinfonie und Schostakowitschs Michelangelo-Suite und sind keine leichte Kost.
Eines von Schostakowitschs letzten Werken ist die Suite nach Gedichten von Michelangelo Buonarroti, in der der litauische Bassist Almas Svilpa mit kernig-vollmundiger Stimme den Vokalpart in russischer Sprache singt. Bewundernswert, mit welchem Einsatz und welcher Hingabe die jungen Musiker diese Musik zwischen Trauer und Resignation zelebrieren, die auch als Resumee des von Verfolgung und Unterdrückung geprägten Lebens Schostakowitschs in der Stalin-Diktatur verstanden werden kann: Von Liebe und Trennung zeugt sie, von Missachtung künstlerischer Leistung, Schaffenskrisen, Tod und Unsterblichkeit.
Faszinierend die Hommage an den Bildhauer Michelangelo, wenn wütende Hammerschläge in kraftvoller Rhythmik vom Ringen um die Form künden. Weich und lyrisch dagegen besingt der Bass, sogar in die hohen Lagen mit Kopfstimme ausweichend, die Nacht. Unwirklich und abgehackt oder machtvoll auftrumpfend umkreist das Orchester die Stimme im klagenden Epilog über die Unsterblichkeit: „Ich bin nicht tot, ich tauschte nur die Räume: Ich leb in euch und geh durch eure Träume.“ Das ist Musik, die unmittelbar berührt.
Auch Konzertbesucher Lutz-Werner Hesse, Leiter der Musikhochschule und Komponist, ist ergriffen: „Da muss man eine stabile psychische Konstitution haben bei dieser rabenschwarzen Musik“, meint er. Das gilt für Musiker und Zuhörer gleichermaßen. Jedenfalls dient die Pause der Regeneration in Wind und Abendsonne vor der Stadthalle.
Sergej Rachmaninows zweite Sinfonie mit ihrer ausschwingenden Klangpracht fordert dann noch einmal die volle Konzentration. Grimmige Heiterkeit und wehmütige Resignation wechseln abrupt, und im melodiösen Adagio gilt es, die Spannung aufrecht zu erhalten. „Das ist ja Schwerstarbeit für den Dirigenten“, hört man eine Zuhörerin bewundernd flüstern und tatsächlich muss Ingo Ernst Reihl nach jedem Satz das Schweißtuch nutzen. Lohn ist begeisterter Applaus für einen Konzertabend, der lange nachklingen wird.